Auch wenn sie hinter den allgegenwärtigen Ukraine-Berichten und solchen über den besorgniserregenden Zustand der deutschen Fußballnationalmannschaft des öfteren zurücktreten muß: Die Ebola-Seuche ist in Westafrika nach wie vor virulent. In Liberia hat die Verbreitung laut WHO mittlerweile einen exponentiellen Charakter angenommen, was durch eine galoppierende Ansteckung nicht nur die Versuche einer Eindämmung und medizinischen Notversorgung der Infizierten, sondern mittelbar auch das gesamte staatliche Gefüge des betroffenen Landes bedroht.
All das verursacht von einem Virenstamm, der seit fast 40 Jahren bekannt ist und dessen Gefährlichkeit ihn zu einer potentiellen biologischen Waffe erster Güte macht; nicht umsonst gehört die Gruppe der Erreger hämorrhagischer Fieber, gegen die es keine wirksamen Gegenmaßnahmen gibt, zum berüchtigten „Dreckigen Dutzend“ der „Centers for Disease Control“. Daher ist es wenig verwunderlich, daß sowohl die USA als auch Großbritannien den Einsatz militärischer Seuchenspezialisten und entsprechenden Geräts planen. Im speziellen die USA sind auf seiten der Armee um Längen besser für biologische Eventualitäten gerüstet, als dies im zivilen Sektor der Fall ist – eine unmittelbare Folge der umfangreichen Biowaffen-Versuchsreihen inklusive Menschenversuchen, die sie in Fort Detrick während des Kalten Krieges parallel zu gleichartigen sowjetischen Forschungen betrieben.
Bereits Verstorbene kaufen keine Arzneimittel
Nun ist das auf den ersten Blick natürlich ein reines Budgetproblem. Natürlich wollen US-Regierung und Pentagon ihre geopolitische Polizeimacht auf alle möglichen Einsatzszenarien vorbereiten; die Tradition der Biowaffen-Prävention der US-amerikanischen Streitkräfte reicht, wenn man so will, bis zurück zum Amerikanisch-Spanischen Krieg von 1898, in dem auf Kuba Sondereinheiten operierten, die ausschließlich aus Schwarzen bestanden, da man bei diesen eine Immunität gegenüber Tropenkrankheiten wie Malaria vermutete (was in der Forschung hinsichtlich der Sichelzellenanämie durchaus ein Thema ist, seinerzeit aber durch Ressentiment und Unwissenheit motiviert war). Ungeachtet dessen gilt für das medizinische Vorgehen in Extremsituationen, und eine solche liegt in Westafrika bereits seit über einem Monat hochoffiziell vor, daß gegenüber dem Militär der zivile Forschungssektor auf keinen grünen Zweig kommt.
Woran das liegt? Mit dem gebührenden Zynismus möchte ich es „freie Marktwirtschaft“ nennen, auch wenn die Libertären jetzt nach Luft schnappen. Da die notwendige, hochspezialisierte Forschung Unmengen an Geld kostet (allein schon durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen) und das Einwerben von Drittmitteln nicht nur in der Medizin, sondern in der Gesamtwissenschaft ein enorm unsicheres Spiel ist, sind Forschungsgesellschaften und einzelne Wissenschaftler längst in ein hochproblematisches Abhängigkeitsverhältnis zur Pharmaindustrie geraten. Dort liegt zwar das benötigte Geld, aber dort liegen eben auch knallharte ökonomische Agenden, die sich an Verkaufszahlen (das heißt Krankheitsverbreitung und -dauer bei niedrigem Sterberisiko, weil Tote keine Arzneimittel kaufen) orientieren. Folglich besteht wenig Interesse an der Beforschung extrem ansteckender Tropenkrankheiten mit hoher Letalität. Ab und an jedoch zeigen spontane Krankheitsausbrüche wie dieser Tage, daß die Realität sich nicht durch Berechnung und Statistik bändigen läßt.
Wissenschaft braucht Autonomie
Die derzeitige Hilflosigkeit der internationalen Wissenschaftlerzunft gegenüber dem Virus, das durch die westafrikanischen Armuts- und Elendsregionen rast, ist eine direkte Folge der Vernachlässigung der Forschung durch die Politik, und zwar in sämtlichen Industrienationen. Wer auf staatlicher Ebene solcherlei Gesundheitskatastrophen zukünftig besser entgegentreten will, sollte das humanitäre Gejammer einstellen und der Wissenschaft – ja, mit Geld! – ein kleines Stück Autonomie zurückgeben. Eine wirklich „freie“ Forschung ist Utopie, aber man könnte sie immerhin ihrem falschen Freund, der Wirtschaft, entwöhnen.