Die politische Klasse hat ein neues Modewort entdeckt, um ihre Machenschaften pseudowissenschaftlich zu verbrämen: „Nudge“, zu deutsch „Anstoß“ oder „Schubser“, heißt das neue Patentrezept, um Bürgern politisch erwünschte Verhaltensweisen unterzujubeln.
Formuliert haben es die US-Professoren Richard Thaler und Cass Sunstein, deren Buch „Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ vor fünf Jahren in deutscher Übersetzung erschienen ist. „Nudge“ besagt, kurz zusammengefaßt: Wenn die Bürger nicht freiwillig die „objektiv rationale“ Entscheidung treffen, ihre Organe zu spenden, vegetarisch statt Fast Food zu essen oder Kleinwagen statt SUV zu fahren, muß man sie halt durch versteckte Anreize dorthin „schubsen“ und ihre Entscheidungen so beeinflussen, ohne daß sie es merken.
Im Prinzip ist das ein alter Hut, den jeder Supermarkt-Filialleiter kennt: Woran der Händler am meisten verdient, wird besonders attraktiv in Augenhöhe oder als „Quengelware“ im Kassenbereich plaziert. Sunsteins und Thalers Zutat ist, solche Verkaufstricks auf die Politik zu übertragen: „Nudge“, schreiben sie, löse das „Dilemma, wie in Demokratien Menschen ihre Entscheidungsfreiheit belassen werden kann, gleichzeitig aber gesellschaftlich wünschenswerte Entscheidungen herbeigeführt werden können.“
Suggestion einer „offenen Diskussion“, bei der das Ergebnis schon feststeht
Im Kern ist „Nudge“ also nichts anderes als nett verpackte Manipulation – Bevormundung, ohne daß der Bevormundete es merken soll. Der Knackpunkt ist die Machtfrage: wer definiert, was „objektiv rational“ und „gesellschaftlich wünschenswert“ ist? Dem Individuum wird Irrationalität unterstellt und implizit eine Autorität gegenübergestellt, die besser weiß, was ihm guttut, und es Schritt für Schritt in den Totalitarismus schubst, „so lange, bis die Herumgeschubsten gar nicht mehr wissen, was eine unabhängige, eine autonome Existenz ist“.
Klar, daß sich Polit-Gouvernanten jeder Couleur da besonders angesprochen fühlen und das pseudowissenschaftliche Brimborium begeistert übernehmen. Bundesjustizminister Heiko Maas, sonst nicht die hellste Kerze auf der GroKo-Torte, hat’s auch schon entdeckt und auf Kosten der Geschubsten US-Guru Cass Sunstein zu einer Veranstaltung eingeladen, die mit dem dreisten Euphemismus „Die Kunst der Entscheidungshilfe“ betitelt ist und „Nudging“ gleich exemplarisch anwendet: Mit suggestiven Fragestellungen („Ist Nudging nicht undemokratisch? Warum tut sich Deutschland so schwer mit Nudging? Wann eignen sich Nudges besonders gut? Wie unterscheidet man gute von schlechten Nudges?“) wird den Bürgern suggeriert, an einer offenen Diskussion teilzunehmen, bei der das Ergebnis von vornherein feststeht.
Das erinnert nicht zufällig an die „Politik des Gehörtwerdens“, die vom baden-württembergischen Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ausgerufen wurde: Wir tun so, als würden wir euch zuhören, und machen dann doch, was wir für richtig halten. Die linken Öko-Diktatoren wenden das Prinzip eben schon lange intuitiv auch ohne US-Stichwortgeber an.
Der Bürger durchschaut das schlechte Spiel
Wenn allerdings die Bürger störrisch werden und den Gouvernanten im Klartext und ohne versteckte „Anstöße“ zu verstehen geben, daß sie sich schlecht regiert fühlen und nicht länger herumschubsen lassen wollen, ist es auch bei Heiko Maas Schluß mit der sanften Verpackung. Dann wird der unbotmäßige Lümmel Volk ohne viel Federlesens als „Schande für Deutschland“ eingetütet. Geschubst wird nämlich immer nur in eine Richtung, von oben nach unten. Jedenfalls so lange, bis die da unten das Spiel durchschauen und nicht mehr mitmachen.