Von Zeit zu Zeit schlage ich im Wissenschaftsteil der Mittwochs-FAZ auch gerne mal die Seite „Forschung und Lehre“ auf. Zwischen allerlei Drögem und Entlegenem blitzt da immer wieder mal die eine oder andere Perle auf. Gestern zum Beispiel die Philippika der Greifswalder Politikwissenschaftlerin Hannah Bethke über die Zumutung, in den Semesterferien Seminararbeiten heutiger Studenten, pardon, „Studierender“ lesen zu müssen („politisch angeblich korrekt, sprachlogisch jedoch falsch“ nennt die Autorin diesen gängigen Ausfluß der „grassierenden Partizipienseuche“).
Da hat sich offenbar einiges angestaut. Die geplagte Dozentin ist schon froh und glücklich, wenn die Bätschler-Aspiranten sie „nur“ durch „Mängel in der wissenschaftlichen Analyse“ foltern. Flächendeckende Unkenntnis von deutscher Grammatik und Orthographie scheint der Regelfall, den sie mit in der Tat haarsträubenden Beispielen „hier führ“ untermauert. Für solche Böcke kann man auch die „unsägliche“ (Bethke) „Rechtschreibreform“ nicht mehr haftbar machen.
Die gängigen Ausreden – das Ansprechen solcher Mängel sei „zu streng“ und „überfordere“ die Ärmsten, und außerdem gebe es ja die „Krankheit“ der „Legasthenie“, die offensichtlich epidemisch wütet – läßt Hannah Bethke nicht gelten. Alles pathologisieren, um alles zu erklären und Nicht-Handeln zu entschuldigen – die gängige Verschleierungstechnik ist leicht zu durchschauen.
„Verzicht auf Anleitung“
Oftmals beherrschten ausländische Erasmus-Studenten die deutsche Grammatik sogar besser als ihre muttersprachlich deutschen „Kommulitionen“ (noch ein schönes Exemplar aus Bethkes Liste kreativer Rechtschreibfehler, Auflösung: „Kommilitonen“). Es liegt also am Zustand des deutschen Bildungssystems, das die Universitätsdozentin einer kurzen Fundamentalkritik unterzieht und einen direkten Zusammenhang zur Abschaffung des verteufelten „Frontalunterrichts“ herstellt:
„Der Verzicht auf Anleitung führt dazu, daß eine Fehlerkontrolle ausbleibt und die Schüler in ihrem oftmals falschen Selbstbild von ihren Leistungen nicht nur bestärkt, sondern paradoxerweise gleichzeitig auch alleine gelassen werden. Allzu oft wird an den Universitäten dieses Problem nicht etwa behoben, sondern durch die (verantwortungslose!) inflationäre Vergabe guter Noten fortgesetzt.“
Kurzum, den grün-roten Gleichmachern prägnant um die Ohren geschlagen: „An deutschen Schulen und Universitäten hat eine systematische Niveaunivellierung stattgefunden, die das Ergebnis einer wachsenden Scheu ist, den Lernenden gegenüber Grenzen zu ziehen, schlechte Leistungen als solche zu benennen, Unterschiede zu sehen und zu akzeptieren, anstatt allen – ob sie dafür geeignet sind oder nicht – alles eröffnen zu wollen.“
Gegenbewegungen privat organisieren
Ein System, „das bei konsequenter Fortführung zu einer nachhaltigen Verdummung der Gesellschaft führen würde“, könne über kurz oder lang keinen Bestand haben, meint Hannah Bethke und hofft auf ein baldiges Ende des jetzigen Bestands. Fragt sich nur, was danach kommt. Die linken Bildungsideologen werden das staatliche Bildungssystem, das sich so trefflich zur Indoktrination und Enteignung der kommenden Generationen mißbrauchen läßt, kaum freiwillig aus ihren Klauen entlassen.
Gegenbewegungen werden sich wohl vor allem privat organisieren und anstreben müssen, von staatlichen Zuwendungen und Mitspracheansprüchen völlig unabhängig zu werden. Damit hätten dann die linken Bildungsklempner genau das zerstört, was sie zu bezwecken vorgaben, und das herbeigeführt, was sie angeblich bekämpfen wollten: Der Besuch einer leistungsfähigen Schule oder Hochschule steht nicht mehr jedermann offen, sondern wird wieder zur Frage des Geldbeutels.