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Vom Glauben – Erster Teil

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Vom Glauben – Erster Teil

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Was ist der Glauben, in seinem allgemeinsten Sinne? Ich sehe, wie die Schneeflocken fallen. Ich spüre ihre schmelzende Kühle auf meinem Gesicht. Glaube ich, daß es schneit? Nein, eigentlich glaube ich es nicht. Ich weiß, daß es schneit. Ich schaue in den Himmel, vergleiche sein Grau mit meiner Erfahrung. Ich schalte das Radio an und höre auf die Vorhersage des Wetterberichtes. Weiß ich, ob es auch morgen schneien wird? Nein, ich glaube, daß es schneien wird. Aber ich weiß es nicht.

Der Glaube ist also in diesem allgemeinen Sinne etwas dem Wissen Nachgeordnetes. Ich vermute, ich ahne, ich glaube, daß etwas so und so ist. Aber von meinem augenblicklichen Standpunkt aus kann ich nicht den Wahrheitsgehalt soweit überprüfen, daß auch mein Verstand überzeugt ist. Ich glaube, daß es morgen schneien wird. Wissen werde ich es aber erst morgen. Dann wird es schneien oder nicht schneien, und ich werde keine ernstliche Veranlassung haben, an diesem Wissen zu zweifeln.

Was ist nun religiöser Glauben? Ich lebe in einer Welt, in der kann ich fühlen, riechen, hören und so weiter. Die Religion berichtet mir aber von einer anderen, höheren Welt, in der kann ich nicht so ohne weiteres fühlen, riechen, hören und so weiter. Dennoch soll ich mein Leben nicht nur nach dieser einen, sondern auch jener andern, höheren Welt ausrichten. Wie aber kann ich das tun? Indem ich einen Gewährsmann habe, der mir von dieser andern, höheren Welt berichtet. Das aber ist der Priester und die Heilige Schrift.

Ihm wurde sein Herz aufgetan

Der Priester, er wurde in diese andere, höhere Welt eingeweiht. Ihm wurde sein Herz aufgetan, damit er fühlen kann. Es wurden ihm Ohren gegeben, damit er hören kann. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen, damit er sehen kann. „Zur Zeit der tiefsten Mitternacht sah ich die Sonne in ihrem hellsten Lichte leuchten; ich schaute die unteren und oberen Götter von Angesicht zu Angesicht und betete sie in der Nähe an“, schildert Apuleius das Erlebnis einer solchen Einweihung.

Muß der Eingeweihte an diese andere, höhere Welt glauben? Nein, denn sie hat sich ihm doch offenbart. Er hat in ihr gelebt, er konnte in ihr fühlen, hören und sehen. Er muß daher an dieser anderen, höheren Welt ebenso wenig zweifeln, wie ich an dieser Welt, wenn ich in ihr lebe. Ich sehe, wie die Schneeflocken fallen, ich spüre ihre Kühle, wie sie in meinem Gesicht schmelzen. Davon kann ich jemanden berichten, der das alles nicht kennt. Wenn mir dieser andere glaubt, was ist er dann? Dann ist er ein Gläubiger.

Das ist das grundlegende Verhältnis von Priester und Gläubigen, wie man es in praktisch allen Religionen findet. Die einen, sie sind in einer anderen, höheren Welt gewesen, wurden dort belehrt und belehren nun alle anderen. Die anderen, sie glauben diesen Sachverhalt, sie glauben an das Zeugnis der Priester und beugen sich deren Autorität. Auch die Christenheit war lange Zeit von diesem Verhältnis bestimmt. Doch dieses Verhältnis, es mußte notwendig vergehen. Der alte Glaube, er mußte zugrunde gehen.

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