Anzeige
Anzeige

Meese ist nicht brav gewesen

Meese ist nicht brav gewesen

Meese ist nicht brav gewesen

 

Meese ist nicht brav gewesen

Anzeige

Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

„Irgendwann erwischt es jeden“ – das dürfte wohl die Botschaft sein, die mit dem nun ergangenen Strafbefehl gegen Jonathan Meese vermittelt werden soll. Der Künstler fällt schon seit langem durch provokative und nonkonforme Äußerungen und Aktionen auf; insbesondere sein filmisch festgehaltener Auftritt auf der letztjährigen „documenta“ sorgte für viel Wirbel.

Das hatten sich die Damen und Herren vom Spiegel wohl etwas anders vorgestellt, als sie den kontroversen Herrn zum Gespräch über „Größenwahn in der Kunstwelt“ luden. Ein bißchen Bedienen von Eitelkeiten, ein paar Seitenhiebe auf andere Künstler, letztendlich eine Abfolge pseudointellektueller Streicheleinheiten für die rotweinsüffelnde und auf ihren iPads herumdaddelnde Frührentnerfraktion – das wäre ganz nach dem Geschmack des führenden deutschen Hochglanzfeuilletons gewesen. So sollte es aber nicht kommen: Meese verweigerte den Austausch von Gemeinplätzen und ging statt dessen auf breiter Front zum Angriff auf die versammelte Zuhörerschaft über. Besonders die anwesenden Kunststudenten wurden gehörig abgebügelt – logisch, denn wenn man Meeses Ansicht folgt, daß Kunst ein evolutionärer Prozeß sei, erscheint ein Studium desselben hanebüchen.

Die nunmehrige, genüßliche Auswalzung der juristischen Folgen (Paragraph 86a ist ja bekannt) insbesondere durch Spiegel online und in Print hat durchaus den Geschmack der späten Rache. Rache daran, daß der skurrile Delinquent Kunst- und Medienbetrieb bloßgestellt hat. Das wohlgemerkt nicht nur, weil er sich nicht dem ungeschriebenen Kodex dessen, was „geht“ und was „gar nicht geht“ (Johannes Baptist Kerner dixit), unterwarf. Was Meese auf einer viel tieferen Ebene verbrochen hat, ist das Bekenntnis zur – in diesem Fall einmal nicht jugendlichen – Unbedingtheit. Bezogen auf sein Verhältnis zur Kunst ist das überstrapazierte Wort „radikal“ wohl endlich einmal angemessen. Meese will nicht nur an die Wurzeln gehen, sondern es sich dort wohnlich einrichten; sein Schlagwort von der „Diktatur der Kunst“ fordert nichts anderes als die totale Hingabe an eine Sache, das völlige Eintauchen in den Mikrokosmos, den das persönliche, schicksalhafte Wirken errichtet.

Produktive Wut angesichts der Gegenwart

Bei Meese ist es die Kunst; Götz Kubitschek hat dieses Dogma in seinen Gedanken über die „Ein-Mann-Kaserne“ trefflich auf unsere schreibende Zunft übertragen, und ein Essay Alex Kurtagi?s flankiert das im Hinblick auf die produktive Wut angesichts der Gegenwart. Es wird sich am Beispiel Jonathan Meeses zeigen, mit welcher Härte diese Gegenwart zurückschlägt, wenn man ihre Tabus nicht respektiert – ob man ihm seine vieldeutige Einbandgestaltung für Ernst-Jünger-Originaltöne als Beweisstück der Anklage vorhalten wird?

Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
Hierfür wurden keine ähnlichen Themen gefunden.