Gibt es bald eine neue Rechtschreibreform? Wenn man dem Reformer Hans Zehetmair, dem Vorsitzenden des Rechtschreibrats, Glauben schenkt, ist dies tatsächlich in Arbeit. Viel hören wir ja nicht von diesem Rat, der offenbar am liebsten im stillen Kämmerlein die Reform verwaltet. Doch hat sich vor kurzem der 77jährige Zehetmair in einem Gespräch mit dem Donaukurier zu Wort gemeldet.
Darin gesteht Zehetmair wieder einmal sein Versagen ein: „Insgesamt, diesen Vorwurf muß ich mir heute machen, habe ich mich zu wenig um die Reform gekümmert.“ Dieses Schuldeingeständnis ist nichts Neues, denn bereits vor zehn Jahren hatte er gegenüber der Passauer Neuen Presse bekannt: „Aus heutiger Sicht und noch deutlicherer Kenntnis der deutschen Wesensart würde ich die Sache heute ganz zum Scheitern bringen. Wir hätten die Rechtschreibreform nicht machen sollen.“
Rat rettete Reform
Trotzdem setzte sich Zehetmair im Jahr 2004 an die Spitze des Rats, um die Reform zu retten. Mit zäher Überredungsarbeit brachte er die Frankfurter Allgemeine Zeitung und den Spiegel dazu, den Widerstand aufzugeben und sich einzureihen. Daraus entstand dann eine Reformdauerbaustelle, auf der die Reformer, die sich im Rat versammeln, in jahrelanger „Arbeit“ ziemlich wenig zustandebrachten.
Denn die Kultusministerkonferenz (KMK), die den Rechtschreibrat eingesetzt hatte, ließ nur kleinere Änderungen an der Reform zu. Ein Erbe der Reformreform von 2006 sind zum Beispiel die zahlreichen möglichen Doppelschreibweisen bei der Getrennt- und Zusammenschreibung (etwa „kennenlernen“ und „kennen lernen“). Die Wörterbücher geben dazu unterschiedliche Empfehlungen und sorgen für Durcheinander. Zehetmair sagt jetzt zum Donaukurier: „Wir sollten froh sein, daß wir in diesen Fällen die Wahl haben. Es war der einzige Weg, bestimmte Schreibweisen überhaupt durchzubringen.“
„Daran arbeiten wir“
Die KMK hatte außerdem verfügt, daß die Regeln zu den Laut-Buchstaben-Zuordnungen als „unstrittig“ zu gelten hätten. Daher durfte sich der Rat zunächst nicht damit befassen. So blieben falsche Volksetymologien wie belämmert, Tollpatsch, einbläuen, schnäuzen, Quäntchen und willkürliche Stammschreibungen wie Stängel/Stange, aufwändig/Aufwand (nicht aber dänken/Gedanke, sätzen/Satz, Ältern/Alter).
Um so auffälliger ist es, daß Zehetmair nun ankündigt, gerade die Laut-Buchstaben-Zuordnungen reformieren zu wollen: „Der Stängel gehört zu den Fällen, die wir noch korrigieren müssen. … Die Lautfärbungen tun mir noch weh, also Stängel oder Gämse. Daran arbeiten wir.“ Ob das Ergebnis der nächsten Reform zufriedenstellend ausfällt, ist allerdings zu bezweifeln. Zehetmair gibt nämlich im Gespräch mit dem Donaukurier eine weitere Kostprobe seines Unwissens. So fabuliert er: „Nehmen wir das Komma. In der ersten Fassung der Reform waren die Satzzeichen völlig ausgemerzt.“ Das ist natürlich Unsinn.
Kein Wunder, daß Zehetmair sich nicht für die Folgen der Reform verantwortlich fühlt. „Ich habe vor kurzem selber eine Magisterarbeit korrigiert, als Zweitkorrektor. Die Arbeit hatte so erhebliche Rechtschreibmängel, daß ich sie der jungen Lehrerin zurückgegeben habe. Wo kommen wir da hin, wenn schon die Lehrer nicht mehr wissen, an welche Stelle man ein Komma setzt?“ Diese Frage geben wir an Zehetmair zurück. Wohin sind wir dank der Rechtschreibreform schon gekommen?