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Max Otte, Kapitaltag, Vermögensschutz, Markus Krall, Stefan Homburg

Armut qualifiziert!

Armut qualifiziert!

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Armut qualifiziert!

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Aus freiem Entschluß freiberuflich, liegt mein Monatseinkommen nach allen üblichen Abzügen etwa auf Hartz-IV-Niveau. Wenn ich richtig gut bin. Und man darf sich mich dabei durchaus als glücklichen Menschen vorstellen. Vor allem gewisse existentielle Zwänge sind lehrreich. Als ich noch Lehrer war, hatte ich zwar kopfschüttelnd die immer zahlreicheren, immer tiefer ans Mark der Nationalkultur greifenden Reformen und Lebenslügen hinzunehmen, war durch das luxuriöse Gehalt aber vollständig korrumpiert. Dazu all die Angestellten-Boni als Ergebnis von Gewerkschaftskämpfen: Urlaubs-, Weihnachts-, Prämiengelder! Da ich außerdem der Mensaversorgung angeschlossen wurde, die gerade an der superteuren Privatschule deliziöse Hotelqualitäten bot, lebte ich im Komfort betreuten Wohnens, was im Sinne von Konrad Lorenz bzw. Arnold Gehlens meine „Verhausschweinung“ beförderte.

Jetzt ist mir endlich wieder bewußt, was für einen Wert ein Sack mecklenburgischer Kartoffeln vom Landhandel hat! Man fragt sich wie gegenüber allem wirklich Lebensnotwendigen: Weshalb so spottbillig, wenn man damit nicht nur überlebt, sondern sich gesund und geschmackvoll ernährt? – Kartoffeln mit Grützwurst und Sauerkraut, Kartoffeln mit Brathering, Pellkartoffeln mit Matjes oder Quark oder Leinöl, Kartoffelpuffer mit einem Pott kalter Milch. Der Kartoffelbefehl des großen Friedrich von 1756 als fortdauernder Segen!

Ferner stellte ich dank meiner neuen Umstände zwangsläufig fest, daß nicht nur der Wein aus dem oberen Regal des Super-Marktes schmeckt, sondern durchaus auch jener aus der zweiten und selbst dritten Reihe darunter, ja sogar manches bisher arrogant verschmähte Tröpfchen aus der Region, in die man sich erst hinabbücken muß – Marken darunter, die vielen von uns gar nicht als Wein im weitesten Sinne gelten würden, sondern als irgendwas für die Soße. Wirklich!

Jetzt endlich lernt man. Jetzt, da man alles selbst versucht

Denn für rustikale Genießer wie mich, die nie an Degustationen zur „Premium Select Wine Challenge“ teilnehmen und für die bereits „Jacques Weindepot“ oder einfach „Chateu-online“ Inbegriffe der qualifizierteren Weinkultur sind, stellte sich wieder mal heraus: Die vielleicht nicht hinreichende, aber notwendige Bedingung ist bei Rotwein die Trinktemperatur, auf die man selbst mit geringstem Salär achten kann! Ein Chateu Cos d’Estournel Saint Estephe versagt bei zehn Grad Celsius völlig, während sich ein unkomplizierter und ehrlicher Le Flamand, als „Vin de France“ beim Discounter für unter drei Euro in der verbraucherfreundlichen Literflasche, bei sechzehn, eher noch achtzehn Grad sehr harmonisch ausnimmt und absolut weich im Abgang ist. Ruhig die geöffnete Flasche einen Moment auf die Heizung stellen!

Apropos Abgang. An meinem alten Haus ergab sich wegen der allzu improvisiert vorgenommenen Installation des Sanitärbereichs jüngst ein echter GAU. Einer, den man hier nicht naturalistisch schildern möchte, aber – weil einfach alles hochkam – genau von der Sorte, die einen früher sofort veranlaßt hätte, aber hurtig, hurtig eine Firma ranbrummen zu lassen. Wir aber laborierten nach überwundenem Ekel zunächst mit Pümpel und Rohrreinigungsspirale, richteten jedoch nichts aus. Ein paar Tage lebten wir mit der Hoffnung und lauschten auf jedes Geräusch im Abflußbereich wie auf ein Orakel. Irgendwo saß nörgelnd und rülpsend ein verdammt böses Schleimmonster. Weil drinnen alles ohne Befund war, grub ich draußen pioniertechnisch auf und mußte wegen eines Baufehlers das Abflußrohr am Grubenrand durchsägen, quasi unter Last. – Schwall! – Aber ein paar Dörfler versammelten sich um die kleine Baustelle und zollten hohen Respekt, weil da einer alles selbst versuchte und sichtlich das Widerlichste durchstand. Ohne teure Firma. Die gleich alles DIN-gemäß erneuert hätte.

Und als ich auch noch die vorher gut geschmierte 100er Überschiebmuffe als Verbindungsstück über den beiden KT-Rohren hatte und alle Probespülungen glatt durchliefen, gab’s vom Landvolk spontanen Beifall. Und von mir eine Runde regionaltypisches Pils für das eifrig beratende Publikum. KT-Rohr, Überschiebmuffe – das alles hätte mir als Gehaltsempfänger gar nichts gesagt! Alles abdelegiert an die Firma Clo & Co.! – Jetzt endlich lernt man. Jetzt, da man alles selbst versucht. Wurde ja Zeit.

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