Der Sonntag, und mit ihm der diesjährige Volkstrauertag, ist vorbei. Anni Mursula hat ihre persönlichen Zeilen dazu geschrieben; Manfred Kleine-Hartlage wie auch meine Wenigkeit (und gewiß noch viele andere) haben in gegebenem Rahmen kleinere oder größere Reden zu diesem gewichtigen Anlaß beigesteuert. Allein, die Frage danach, was bleibt, stellt sich nach wie vor.
In Anbetracht dessen, daß sich gewisse Schmutzfinken nicht zu schade sind, eine Diskussion über die zeitgeistige „Kritik“ am Volkstrauertag unmittelbar an „Rechtsradikalismus“- und „Antisemitismus“-„Berichterstattung“ zu koppeln, ist es vielleicht zielführend, die Bedeutung dieses Gedenktages erst einmal vom ideologischen Flächenbombardement freizumachen – auch, wenn das ein reiner Kampf gegen Windmühlen ist.
Der Gefallenen zu gedenken, hat gerade angesichts der Verwerfungen des 20. Jahrhunderts und vor dem Hintergrund gefallener Bundeswehrsoldaten in Afghanistan mitnichten etwas mit politischer Ausrichtung zu tun. Vielmehr handelt es sich dabei um einen Akt reiner Menschlichkeit, da der Mensch ohne Rückbindung an seine jeweiligen Vorfahren nichts weiter als ein „vaterloser Krüppel“ (Koch) sein kann. Dies gilt um so mehr, wenn er selbst Kinder hat, die in diesen familiären Strang einzuflechten wären. Ein Verweis auf die Auswirkungen gewisser „Kulturrevolutionen“ hierzulande erübrigt sich als Mittel der Beweisführung, sofern man sich nicht selbst beweihräuchern will.
Wer feige ist, schlägt auf Tote ein
Was in den vergangenen Stunden für geistige Abtreibungen über den Volkstrauertag entstanden sind, wird damit um so verständlicher. Dennoch ist der Tod nicht politisch, und auch tränenreiche Anfragen aus interessierten Kreisen werden daran nichts ändern. Wer an diesem Tag einen Kranz niederlegt (was pars pro toto stets auch im Namen des Volkes oder dessen, was davon noch übrig ist, erfolgt), gedenkt nicht irgendeiner mit den Gefallenen zu Grabe getragenen Idee oder Ideologie, sondern der Toten. Toter Verwandter, Freunde oder sonstwie mit ihm verbundener Menschen. Alle darüber hinausgehenden Ansprüche, Tote qualitativ zu sortieren (die sich nicht zuletzt auch in den allfälligen Umbenennungen niederschlagen), sind auf rein (mit)menschlicher Ebene widerwärtig und zeugen lediglich vom lebensfremden Allgemeingültigkeitsanspruch tagespolitischer Phantasten.
„Vergiß, mein Volk, die teuren Toten nicht und schmücke auch unsere Urne mit dem Eichenkranz!“, schrieb Theodor Körner in einer ganz anderen, uns weit entfernt anmutenden Zeit. Ob dem Einzelnen das heute zu deftig scheinen mag oder nicht: Unsere Aufgabe als Hinterbliebene, speziell als Angehörige von Traditionsgemeinschaften (Korporationen, Reservistenverbände und so fort) ist es, den Hingesunkenen auch heute noch Gesicht und Stimme zu geben. Wir haben sie vielleicht nie kennengelernt, doch haben einige von ihnen für uns ein Gesicht, einen Namen und eine persönliche Geschichte.
Diese gilt es mindestens im Herzen zu bewahren, gerade jetzt, wo eine Auslöschung der eigenen Geschichte als einziger Weg zur Absolution vor dem Weltgeist gepriesen wird. Nicht umsonst zeigte sich unlängst ein befreundeter Sozialwissenschaftler, dem ich bei seiner Dissertation durch das Ausfüllen einer anonymen Tabelle über meine Ahnen behilflich war, ehrlich verblüfft: Mir waren doch tatsächlich die Geburtsstädte meiner Großeltern bekannt!