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Austritt aus der Staatssimulation

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Was mir zum Thema Selbstverwaltung gehört habe, fragte mich ein Bekannter ganz beiläufig, während er sich um die Lüftung meines Computers kümmerte. Ich zuckte mit den Schultern, und er erläuterte mir, daß das Deutsche Reich als staatsrechtliche Größe juristisch wohl fortexistiere. Auch er habe das bis vor kurzem nicht gewußt.

Ich mußte an die selbsternannten Vertreter einer deutschen Reichsregierung denken, deren Verlautbarungen mir früher gelegentlich zugespielt wurden. Möglichenfalls waren es sogar mehrere „Kommissarische Reichsregierungen“ oder „Exilregierungen des Deutschen Reiches“, die behaupteten, daß das Deutsche Reich fortbestehe und sie die legitimen Vertreter seien. Seinen Ausgang hatte diese Entwicklung offenbar bei dem ehemaligen Fahrdienstleiter Wolfgang Ebel, der sich wohl 1985 zum „Reichskanzler des Staates Deutsches Reich“ ernannte. Doch rasch haben sich seine Anhänger zerstritten.

Beschäftigungstherapie für den Verfassungsschutz

Zwischenzeitlich gab es offenbar sogar einen „Kommissarischen Reichstagspräsidenten“, einen „Reichstag“, Minister und Behörden. Grundthese der Reichsregierungen ist, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht mit dem Deutschen Reich identisch, auch nicht als dessen Nachfolger legitimiert, sondern völker- und verfassungsrechtlich illegal und de jure nicht existent sei.

Man mag dies für eine schillernde Marotte halten oder juristisch korrekt. Der vermag ich nicht zu beurteilen. Interessant wird es aber, wenn man hört, daß die als „rechtsextrem“ eingestufte „Exilregierung Deutsches Reich“ offenbar von den Verfassungsschutzämtern der Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt beobachtet wird. Eine Kleinstgruppierung, die sich auf ihrer Internetseite mit äußerst putzigen Themen beschäftigt (Maya-Kalender, „Dmitri Medwedew – Enkel von Zar Nikolaus“), wird offenbar als so relevant eingestuft, daß sie die Aufmerksamkeit staatlicher Behörden erheischt. Hinzu gesellten sich vor einiger Zeit willige Helfer von der staatstreuen „Antifa“, die im Internet Stimmung gegen „Reichsdeppen“ machen wollten. Pflichtschuldigst widmete das öffentlich-rechtliche (Staats-)Fernsehen den Reichsregierungen mehrere Beiträge. Die beschränkten Fernsehjournalisten behaupteten sogar, daß das Singen der ersten Strophe des Deutschlandliedes eine Straftat sei.

Die BRD-GmbH durch die Hintertür verlassen

Dennoch interessierte mich das ganze Thema stets nur peripher, da weder Machtmittel noch eine konkrete Legitimation, also kein echtes „Regnum“, hinter diesen Scheinregierungen stand. Nun aber erzählte mir mein Bekannter von der „staatlichen Selbstverwaltung“. Offenbar sei es durch alliiertes Recht gedeckt, daß man seine bundesdeutsche Staatsbürgerschaft aufkündigen kann und sich faktisch zum Bürger des Deutschen Reiches erklärt.

Der Leipziger Peter Frühwald fungiert als einer der Hauptaktivisten dieser Szene. Doch mittlerweile haben sich offenbar viele ausführlich mit der Thematik beschäftigt, so etwa der spirituelle Begleiter Alexander Wagandt. Aufgrund der juristischen Lage der Bundesrepublik und des vom Bundesverfassungsgericht auch bestätigten Fortbestandes des Deutschen Reiches ist es demnach offenbar möglich, den Staatsverbund der Bundesrepublik zu verlassen. Dazu wird eine „Personenstandserklärung“ bzw. „Ratifizierungsurkunde“ abgeben, in der man den Austritt aus der „Staatssimulation Bundesrepublik“ oder „BRD-GmbH“ erklärt, die an etliche Behörden und Botschaften zu senden ist.

Wasserbeiträge nach der Weimarer Reichsverfassung abrechnen

Mittlerweile tauschen sich Aktive über ihre Erfahrungen nach der Abgabe der BRD-Staatsangehörigkeit und politischer Totalverweigerung aus, in Foren wird über Vor- und Nachteile des Modells diskutiert. Es werden gar Personenausweise und Fahrerlaubnisse angeboten. Mein Bekannter erzählte, daß er einen befreundeten Polizisten gefragt habe, ob er schon einmal etwas von der „staatlichen Selbstverwaltung“ gehört habe. Dieser hätte ganz unüberrascht geantwortet: „Klar. Da gibt es einige Leute, die das gemacht haben.“

Man kann also einfach austreten aus der Bundesrepublik. Zu den Vor- und Nachteilen kann ich wenig sagen, das müßten Juristen klären. Kann man eigentlich noch reisen ohne BRD-Personalausweis? Muß man Steuern zahlen? Mein Bekannter jedenfalls meinte, gelesen zu haben, daß man gezahlte Wassergebühren zurückerhielte, da dies so nach der Weimarer Verfassung geregelt sei. Meiner Einschätzung nach dürften die Nachteile überwiegen, da ein solcher Weg schlicht mit steinigen bürokratischen Hürden und Gängelungen verbunden sein dürfte.

Seismische Schwingung des deutschen Freiheitswillens

Ich bin aber zugegebenermaßen ratlos. Ist das ganze allein ein Betätigungsfeld für Berufsquerulanten und Selbstdarsteller oder steckt doch mehr dahinter? Immerhin beschäftigen sich Behörden offenbar zunehmend mit den spezifischen Personenstandserklärungen und auch die Polizei wird im Schriftwechsel oder auf der Straße damit konfrontiert.

So kauzig die Angelegenheit sein mag, sie zeigt zum einen den starken Freiheitswillen in Teilen des deutschen Volkes und sie offenbart zu anderen, daß die Verbundenheit mit bundesdeutschen Politik auch auf dieser Ebene zu bröckeln beginnt. Es ist für eine ausgesprochen kleine, aber offenbar doch zunehmende Anzahl von Deutschen nicht mehr attraktiv, einen bundesdeutschen Personalausweis mit sich zu führen. Das ist wahrlich kein Erdbeben für unseren Staat, aber doch eine kleine seismische Schwingung.

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