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Verdrehte Realität

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Verdrehte Realität

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Auf der Internetseite von UniSpiegel waren diese Woche zwei Artikel zu lesen, die zwar auf den ersten Blick nichts mit einander zu tun hatten, doch eigentlich zwei Seiten ein und derselben Medaille waren: Beide Geschichten handelten von einem Studenten und seinem Verhältnis zum Staat.

Im ersten Fall ging es um einen Kunststudenten, der provozieren und ein bißchen kritisieren wollte. Er wird als witzig, mutig, intellektuell geschildert – eine Art sympathischer Lausbub. Seine Aussage, sich über die Polizei als Staatsgewalt lustig zu machen, wird als innovativ und spannend akzeptiert. Für sein Kunstwerk wurde er sogar mit einem Nachwuchspreis ausgezeichnet.

Aufgeregt über das Kunstwerk des Dresdener Marcel Walldorf haben sich lediglich die Gewerkschaft der Polizei und das Sächsische Innenministerium. Sie bezeichneten die Skulptur „Petra“ – eine Polizistin in Kampfmontur, Schutzweste und mit Helm, die in der Hocke auf den Boden pinkelt – als „Schande“. Zu recht: Schließlich symbolisiert die Statue das Bild von einem Staat mit runtergelassenen Hosen. Doch die Presse ist voll des Lobes für Walldorf.

„Wie sieht wohl eine pinkelnde Polizistin in Kampfmontur aus?“

Als „Staatskritik“ habe der 27jährige angehende Künstler das alles gar nicht gemeint, sagt er. Er hätte nur des öfteren „bei Demonstrationen“ pinkelnde männliche Einsatzpolizisten gesehen und sich gefragt, wie es aussehen würde, wenn eine Polizistin in Uniform urinieren würde. Eine wertfreie künstlerische Überlegung also.

Wer’s glaubt. Natürlich ist das Werk eine provokante Kritik am Staat. Und in einem freien Land hat Walldorf auch alles Recht dazu – zumal die Skulptur der „Pinkel-Petra“ auch ihre lustige Seite hat.

Doch darum geht es nicht. Vielmehr wird hier wieder einmal mit zweierlei Maß gemessen: Kommt die Kritik am Staat beziehungsweise die Verhöhnung seiner Vertreter aus der richtigen politischen Richtung, duldet man sie. Sie wirkt eben witzig. Kommt sie aber vom politisch mißliebigen Lager, wird sie zur Verfassungsfeindlichkeit.

Das legitime Übel der Nation

Das zeigt der zweite Fall auf der Spiegel-Seite: Im Gegensatz zur Marcel Walldorf wollte der Potsdamer Politikstudent gar nicht provozieren. Doch seine politischen Ansichten reichten aus, daß die Universitätsleitung gegen ihn vorging und ihm selbstverständliche Rechte aberkannte – weil er kein „Demokrat“ und eine Gefahr für den Staat sei.

Deswegen muß Ronny Zasowk, 24, nun um die Anerkennung seines Praktikums seitens der  Universität Potsdam kämpfen. Denn die will ihm dieses nicht anrechnen, weil er es bei der NPD abgeleistet hat und auch noch stellvertretender Vorsitzender der Partei in Brandenburg ist. Dies hat zur Folge, daß Zasowk seinen Uni-Abschluß nicht bekommt, weil ihm der Praktikumsschein fehlt.

Als Begründung für die Nichtanerkennung gab die Universität Potsdam an, es sei nicht erkennbar, daß das Praktikum bei der NPD „Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden vermittelte, welche zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen, den natürlichen Lebensgrundlagen verpflichteten Rechtsstaat befähigen“. Das wiederum müsse ein Studium jedoch laut Gesetz leisten.

Zasowk wirft der Uni zu Recht vor, das Praktikum aus politischen Gründen nicht anzuerkennen. Deshalb hat er Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Schließlich ist die NPD eine zugelassene Partei, weshalb ein Praktikum dort anerkannt werden müßte.

Es ist schon seltsam: der eine, der während seines Praktikums an der politischen Willensbildung mitwirkt – wenn auch bei einer verhaßten Partei – wird zum Staatsfeind erklärt, während der andere, der die Vertreter der Staates verhöhnt, mit Lob und Anerkennung überschüttet wird. Während der eine sich vor Presseanfragen nicht retten kann und sogar einen Preis verliehen bekommt, muß der andere für Selbstverständlichkeiten den Rechtsweg bemühen. Vielleicht sollte Zasowk sein politisches Engagement künftig als Kunst verkaufen – dann klappt´s eventuell auch mit dem Diplom.

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