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Peripheriestaaten

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Zu Beginn unserer Jahrhunderts offenbart die sogenannte europäisches Integration ein deprimierendes Bild: Manche Länder, die kulturell zur Schatzkammer des alten Kontinents gehören, finden sich nicht nur in ihren Finanzangelegenheiten entmündigt, sondern gleichermaßen als Nationen im Rang zurückgesetzt und diskriminiert.

Offenbar mißt sich der Wert eines Landes nur noch an ökonomischen Kennziffern, die in permanenten marktwirtschaftlichen Rankings ausgewiesen werden. Nationen sind jetzt Filialen eines bürokratischen Hauptquartiers, das sich selbst legitimiert und Kulturnationen in die Satrapien seiner Buchhaltung verwandelt.

Aus rein wirtschaftlichem Kalkül heraus wird kaltschnäuzig selektiert – in ein Kerneuropa, das sich vital und potent genug wähnt, die anderen, die „Peripheriestaaten“, als einen ärgerlichen Ballast anzusehen, als Bremser und Schwächlinge.

Service-Behörde des globalisierten Finanzkapitals

„Europa“, so wie es in Brüssel verstanden wird, sollte man grundsätzlich apostrophiert schreiben. Brüssel rechnet nämlich nur noch und verkam so zur Service-Behörde des globalisierten Finanzkapitals. Man kann das freilich in Ordnung finden, aber dann schminke man sich endlich den Begriff Europa ab.

Während sich die frühere Europäische Gemeinschaft als freiheitlicher Gegenentwurf zum sowjetisierten Ostblock verstand, kann sich die gegenwärtige EU nur noch als eine Firma begreifen, der kein anderes Selbstverständnis geblieben ist, als Banken zu retten, die aus maßloser Profitgier und kaufmännischem Unverstand in die Krise gerieten und ganze Staaten mitrissen. Zu deren Gunsten wird gegenwärtig gigantisch umgeschuldet, indem man öffentliche Gelder jenen Privatiers hinterherwirft, die eigentlich Fälle für die Staatsanwaltschaften sein müßten.

Weil die großen Volkswirtschaften einem Crash mehr entgegenzusetzen haben als kleinere, können sie anderen die Bedingungen diktieren. Finanziell steht es um sie allerdings nicht viel besser; die Märkte trauen ihnen wegen ihrer hergebrachten Wirtschaftskraft nur gerade noch mehr zu. Und es geht gegenwärtig ausschließlich um die Märkte und um nichts anderes mehr!

Von der Wiege zur Bahre

Griechenland gilt als Wiege der europäischen Demokratie, mehr noch als geistig-ästhetisches Muster eines philosophischen, literarischen und künstlerischen Aufbruchs, der sich befreiend vom asiatischen Despotismus abhob. Im 19. Jahrhundert waren die Griechen nicht nur für Lord Byron die Helden, als sie gegen die osmanische Fremdherrschaft aufstanden.

Irische Mönche christianisierten das Festland. Die Insel blieb trotz britischer Strafexpeditionen katholisch. Sie hungerte sich durch, behauptete sich und trieb künstlerische Blüten. Für die beiden letzten Jahrhunderte seien George Bernard Shaw, James Joyce und Samuel Beckett wenigstens erwähnt. Erst 1949 gibt es die Republik Eire, lange ein Armenhaus, aber ein stolzes und selbstbewußtes, das den Fehler beging, sich an den virtuellen Möglichkeiten von New Economy allzu sehr zu berauschen – und zu vergiften.

Portugal war Weltmacht und reichstes Land Europas. Heinrich der Seefahrer und Luís Vaz de Camões fallen einem ein, José Maria Eça de Queiroz, Fernando Pessoa, José Saramago. Antonio Lobo Antunes, der den Literaturnobelpreis verdient hätte, gab einem seiner großen Romane den Titel „Portugals strahlende Größe“, thematisiert darin aber den Untergang. Einen Untergang, der die Kleineren etwas eher treffen dürfte als die Großen.

Eine wirtschaftsmathematisch gebildete Lobby regiert

Mit „Europa“ meint die EU immer jene, die profitieren können. Das sind nicht in erster Linie die Länder, die es als Vaterländer doch gar nicht mehr geben soll, sondern die Großunternehmen und Banken, deren ausschließlich wirtschaftsmathematisch gebildete Lobby den Kontinent regiert, also Spekulanten, die ganze Länder und Landschaften verwursten und sie ausgelutscht den Recyclern von IWF und EZB übergeben.

Natürlich haben die verschuldeten Länder Fehler gemacht, vor allem haben sie – von der Wirtschaft euphorisiert – weit über ihre Verhältnisse gelebt. Sie aber jetzt auf eine volkswirtschaftliche Excel-Tabelle zu reduzieren, ist genau das, was das Gesicht dieser Union ausmacht. Gehört man als Deutscher zur stärksten Volkswirtschaft, so sieht es aus, als hätte man Glück. Diese Wahrnehmung trügt. Mittlerweile sind alle Teile ein und derselben Gleichung, die eben allzu verschiedene Größen mit dem Euro zu nivellieren versuchte, was nie und nimmer statthaft war, aber von der Wirtschaft gewünscht, und was sich seit der Banken- und der daraus hervorgegangenen Schulden- beziehungsweise Eurokrise rächt, weil eben nicht alle über einen Kamm geschoren werden können – mit den Zinssätzen ebensowenig wie in der Bewertung ihrer nationalen Eigenheiten.

Prognose: Erst trifft es den Schuldner, dann aber den Gläubiger. Die Krise ist entgegen aller Wunschvorstellung nicht vorbei; ihr Strudel gewinnt erst an Kraft. Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut machte jüngst die Gegenrechnung zur Politik auf: 1,542 Billionen Euro wird es wohl mindestens kosten. Eine Privatperson triebe das in die Nähe des Selbstmords, eine Gläubiger-Schuldner-Gemeinschaft muß sich weiter den Blick verstellen, um bei Laune zu bleiben. Europa wäre mehr als das. Zeit also, endlich umzukehren und den Nationen die Selbstbestimmung zurückzugeben, auch über ihre Währungen.

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