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Studienzentrum Weikersheim, Burg Lichtenberg

Ein Kind als „Handicap“

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Ein Kind als „Handicap“

 

Ein Kind als „Handicap“

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Eine etwa vierzigjährige Frau in stilvollem Rock, schwarzem Mantel und hochhackigen Schuhen läuft auf der Straße vor mir. Sie wirkt, als käme sie gerade aus dem Büro. Tut sie wahrscheinlich auch: Sie kommt vom Bahnhof – mit zahlreichen weiteren Berufspendlern. 

Sie läuft zügig, telefoniert und gestikuliert hektisch: Sie wirkt sichtbar gestreßt. Bislang habe ich sie nur von hinten gesehen, doch an der Fußgängerampel halte ich neben ihr und sehe, daß sie schwanger ist. 

Während ich neben ihr stehe, sagt sie zu ihrem Gesprächspartner am Telefon: „Ab Februar bin ich ja schon im Mutterschaftsurlaub. Aber ich komme so bald es geht zurück. Allerdings muß ich dann erst sehen, wie ich das alles mit dem kleinen Handicap organisiere.“ Dann überquert sie zügig die Straße. Ich hinke hinterher, mit dem Kinderwagen in einer und einem Kind mit Laufrad an der anderen Hand. 

Verkehrte Wertevorstellungen 

Obwohl die schwangere Frau aus Spaß ihr Kind als „Handicap“ bezeichnete, hat sie damit – vermutlich unbewußt – ihre Prioritäten verraten: Zuerst kommt die Karriere, alles, was dem im Weg stehen könnte, ist ein eben Handicap, auch ein Kind. 

Ein weiterer Hinweis dafür, welche Spuren die Emanzipation und die aktuelle Familienpolitik offenbar auch bei dieser Frau hinterlassen haben. Wie so viele heute glaubt auch diese werdende Mutter, daß sie nur dann glücklich werden kann, wenn nichts und niemand zwischen ihr und ihrer beruflichen „Verwirklichung“ steht. 

Kommt aber ein Kind dazwischen, muß sie es schnellstmöglich wegorganisieren, um wieder glücklich sein zu können. Tut sie das nicht, läuft sie Gefahr, die größte Sünde der Emanzipation zu begehen, nämlich fremdbestimmt und fremdgesteuert zu sein. 

Denn genau das und nichts anderes ist das Leben einer Mutter mit kleinen Kindern: Jede Minute wird von ihnen bestimmt. Wer nicht bereit ist, dies zu akzeptieren und sich darauf einzustellen – zumindest für einen bestimmten Zeitraum –, kann eigentlich nur unglücklich werden und aus dieser Unzufriedenheit in den Beruf fliehen.

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