Um an dieser Stelle gleich den Faden meines letzten Blogs aufzunehmen,
in dem unter anderem von dem maroden US-Staatshaushalt und den Konsequenzen für die globale Hegemoniestellung der USA die Rede war. Die besorgte Analyse, die einige Autoren in der Nov./Dez.-Ausgabe der Zeitschrift Foreign Affairs ausbreiteten, hat gleich zu Jahresbeginn eine dramatische Zuspitzung erfahren. Kein Geringerer nämlich als der amtierende US-Finanzminister Timothy Geithner hat die Kongreßabgeordneten vor einer drohenden Staatspleite der Vereinigten Staaten gewarnt.
Laut Geithner könnten die Konsequenzen einer derartigen Pleite die Auswirkungen der Finanzkrise des Jahres 2008 noch übertreffen. Eine Einschätzung, die von Obamas „Top-Wirtschaftsberater“ Austan Goolsbee geteilt wird, der die Folgen für die US-Wirtschaft als „katastrophal“ charakterisierte. Die Staatspleite der USA wäre ein Vorgang, der „in der Geschichte der USA noch nie dagewesen“ sei.
Die „größte Haushaltserosion der Geschichte“
Derzeit seien die USA laut Medienmeldungen nur noch 400 Milliarden Dollar von der (derzeitigen) Obergrenze für die gesamte US-Staatsverschuldung entfernt, die bei knapp 15 Billionen Dollar liegt. Den USA stehen daher empfindliche Einschnitte im Etat bevor. Obama hat hier insbesondere die Rentenversicherung, Sozialausgaben, aber auch Agrarsubventionen und den Militärhaushalt im Auge.
Abenteuerlich wirkt in diesem Zusammenhang die Forderung der Republikaner nach weiteren Steuersenkungen. Dies auch deshalb, weil die Steuersenkungen der Jahre 2001 und 2003 unter US-Präsident George W. Bush entscheidend zur Schieflage des US-Staatshaushaltes beigetragen haben, wie zum Beispiel Roger C. Altman und Richard N. Haass, derzeit Präsident des Council on Foreign Relations (CFR), in ihrem Beitrag für die obengenannte Foreign Affairs-Ausgabe hervorhoben.
Gründe für die Schieflage
Dieser Schritt, in Verbindung mit den Kosten für die Zuschüsse für rezeptpflichtige Medikamente und die horrenden Kosten der Interventionen im Irak und in Afghanistan, die der CFR-Alterspräsident Leslie H. Gelb auf aktuell rund drei Billionen Dollar bezifferte, haben die US-Staatsausgaben in massive Schieflage gebracht.
George W. Bush sei, so Gelb, gezwungen gewesen, die strikten Budgetvorschriften der 1990er Jahre zu liquidieren, um den Spreizschritt zwischen Kräften, die auf Steuersenkungen pochten, und steigenden Ansprüchen an den Staat vollziehen zu können. Das Ergebnis ist ein ständig größer werdendes Defizit. Gelbs Urteil im Hinblick auf die Ära Bush fällt unmißverständlich aus: „Die acht Jahre der Regierung Bush brachten die größte Haushaltserosion in der Geschichte der Vereinigten Staaten.“
„Apokalyptische“ Perspektiven
Am Ende dieser Regierung, das wird man an dieser Stelle ergänzen dürfen, stand überdies der Ausbruch der Finanzkrise, der weitere exorbitante Belastungen für das Haushaltsbudget brachte. „Apokalyptisch“ nennen Altman/Haass die weiteren Perspektiven für den Staatshalt: Einmal, weil aufgrund der wie in Europa besorgniserregenden demographischen Entwicklung die Gesundheitskosten schon bald in die Höhe schnellen werden.
Zum anderen, weil – bei einem schwachen Wirtschaftswachstum – die Kosten für den Zinsendienst analog zur Schuldenhöhe exponential steigen könnten. Die Schlußfolgerung der beiden Autoren ist eindeutig: „Der Schuldenstand könnte schon bald in stratosphärische Dimensionen durchstoßen.“
Obamas eigentliche Bewährungsprobe
Die Regierung Obama steht derzeit vor ihrer eigentlichen Bewährungsprobe. Sie wird an Steuererhöhungen und, wie bisher so oft, an einer Anhebung der Schuldengrenze, für die sie freilich die Zustimmung der Republikaner braucht, nicht vorbeikommen. Möglicherweise hat Geithner auch deswegen das Schreckensszenario einer „Staatspleite“ in die Debatte eingebracht.
Insbesondere beim Thema Steuererhöhungen sind harte Auseinandersetzungen zu erwarten. Dieses Thema ist in den USA eine Glaubensfrage; entsprechend werden Auseinandersetzungen um dieses Thema in „theologischen Begriffen“ debattiert, wie Altman und Haass betonen. Keine Frage: Die Vereinigten Staaten stehen derzeit an einem Wendepunkt. Selbst wenn Geithners Drohung mit der „Staatspleite“ innenpolitischen Motiven geschuldet ist: Die Supermacht droht im Morast ihrer Schuldenlast zu versinken und könnte ihre bisherige wirtschaftliche Dominanz an China verlieren.