Nach dem bevorstehenden Scheitern des Euro wird es auf absehbare Zeit keine neue internationale Währung in Deutschland geben. Spekulationen auf ein „gesundgeschrumpftes“ Euroland, etwa nur mit den „stabilen“ Nordländern, sind eitel. Der Euro ist ebensowenig reformierbar, wie die Schuldenberge der Euroländer reduzierbar sind.
Die tiefere Begründung für die Renationalisierung der Währung ist jedoch das verlorengegangene Vertrauen in die Europäische Zentralbank (EZB). Sie ist währungstechnisch der Hauptverantwortliche für den Zusammenbruch des Euro. Dem Euro verschworene Regierungen haben die EZB dazu verleitet oder gezwungen, mit den essentiellen Regeln einer Zentralbank zu brechen, deren Einhaltung zum Lebenserhalt einer jeden Währung unerläßlich sind. Eine Institution, die mit einem solchen Makel behaftet ist, kann letztlich nur noch abgewickelt, aber nicht mehr in eine vertrauenswürdige Einrichtung reformiert werden.
Der Hauptfehler der EZB war es, ihre Unabhängigkeit – sofern sie jemals bestanden hat – dem Diktat der EU-Politiker geopfert zu haben. Problematisch war von Anfang an die satzungsmäßige Zusammenstellung des EZB-Rates. Dies letztlich alles entscheidende Gremium besteht neben den sechs Mitgliedern des EZB-Direktoriums (das vornehmlich mit der Ausführung der EZB-Ratsbeschlüsse befaßt ist) aus den Präsidenten aller nationalen Zentralbanken, deren Länder den Euro eingeführt haben. Unabhängig von der Größe des Landes hat jeder nationale Vertreter eine volle Stimme.
Die Zentralbankpräsidenten von Zypern, Malta und Luxemburg besitzen damit die gleiche Einflußmöglichkeit wie der Präsident der Deutschen Bundesbank oder der französische Zentralbankpräsident. Die großen Länder sind jedoch mit einem größeren Anteil an der finanziellen Last der EZB beteiligt. Diese Unausgewogenheit eröffnet die Möglichkeit, daß eine Mehrheiten der kleineren Länder eine finanzielle Belastung der Minderheit oder sogar eines einzelnen zahlungskräftigen großen Mitgliedlandes beschließt. Der Konflikt ist damit vorprogrammiert.
Währungspolitik muß nationale Eigenarten berücksichtigen
Tatsächlich stimmte der EZB-Rat mehrheitlich gegen die Stimme Deutschlands beispielsweise für den Ankauf maroder Staatsschuldenpapiere. Die finanzielle Hauptlast bei einer Bankrotterklärung der entsprechenden Länder trägt aber Deutschland, das mit nominell 19 Prozent an Gewinn und Verlust der EZB beteiligt ist. Im Ernstfall wird Deutschland nach dem Wegfall der zahlungsunfähigen Mitgliedsstaaten fast die Hälfte der Verlustsumme tragen müssen – wenn sich Frankreich noch daran beteiligt. Der Ankauf von Staatspapieren, egal ob notleidende oder solide Schuldverschreibungen, steht nicht im Einklang mit der alten Satzung der Deutschen Bundesbank aus D-Mark-Zeiten.
Ein solches Zentralbankverhalten widerspricht aber auch der deutschen Mentalität, die sich in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt hat. Die Währung soll stabil sein, also keine Geldentwertung begünstigen. Die dafür verantwortliche Zentralbank, im deutschen Fall die Bundesbank, muß deshalb dem Einflußbereich der Politik entzogen sein. Auch wenn zu Zeiten der D-Mark immer wieder versucht wurde, die Spitze der Deutschen Bundesbank politisch, insbesondere parteipolitisch motiviert zu besetzen, alle Bundesbankpräsidenten haben sich durchweg in ihrer Amtszeit als immun gegenüber politischen Wünschen und Forderungen erwiesen.
Die EZB hat die Mentalität der Bundesbank nicht übernommen. Im Gegenteil: das deutsche Stabilitätsbewußtsein wurde zwar hofiert, die tatsächliche Währungspolitik aber gegensätzlich praktiziert. Den politischen Wünschen der anderen Währungsteilnehmerländer wurde unter lauen Bedenken stets entsprochen und damit die Eurowährung ihrer Zukunftschancen beraubt. Den Zusammenbruch des Euro werden die Deutschen nicht nur dem Versagen ihrer eigenen Politiker zuschreiben, weil sie die zerstörerische Währungspolitik der EZB nicht verhindert haben.
Die Politiker werden auf die bestehenden Vereinbarungen zur Zusammensetzung der EZB verweisen. Folglich sind die EZB-Verträge am Währungszusammenbruch schuld, insbesondere durch die Ermöglichung internationalistischer Mehrheiten, deren Beschlüsse der deutschen Währungsmentalität widersprechen. Der sicherste Weg dies künftig zu verhindern ist die Wiederherstellung der Entscheidungsgewalt über die Währungspolitik auf nationaler Ebene – ergo eine Renationalisierung der Währung.
Widergeburt der Bank Deutscher Länder
Zur Kritik an der Unterdrückung der nationalen Mentalität gesellt sich die Kritik an den Ursachen der Zweckentfremdung des demokratischen Abstimmungsverfahrens zur finanziellen Ausbeutung der Minderheit. Deutschland soll mit Mehrheitsbeschluß die Schulden anderer Länder begleichen. Möglichweise wäre dem Euro eine längeres Leben beschieden gewesen und der EZB ein tadelloser Ruf erhalten geblieben, wenn nicht die Schuldenkrise einiger Euro-Länder beidem ein Ende gesetzt hätten.
Was bleibt, ist die uralte Einsicht, daß Staatsschulden eine Währung zerstören. Wenn aber die Beseitigung angehäufter Staatsschulden als absolut notwendige Voraussetzung für eine neue Währung erachtet wird, kann Form und Ausmaß der Entschuldung auch zu einer Abgrenzung der Staatlichkeit führen. Das betrifft nicht nur die Rückführung der Europastaatlichkeit auf die nationale Ebene, im Falle Deutschlands kann sich das auch auf die Bundesstaatlichkeit der deutschen Länder auswirken.
Auch in Deutschland besteht die Problematik, daß „reichere“ Bundesländer wie Baden-Württemberg, Bayern und Hessen die Schulden anderer Bundesländer durch den Länderfinanzausgleich mitfinanzieren. Sollte diese Solidargemeinschaft aufgrund der unerträglich gewordenen Zinslast oder mangels neuer Käufer von Staatsanleihen zerbrechen, sind Währungssysteme auf der Ebene der Bundesländer künftig nicht auszuschließen.
Ob dabei die Bundesbank in eine nach dem Krieg schon einmal existierende Bank Deutscher Länder rückverwandelt wird oder ob es zu einer Aufteilung zwischen einer Nord-Mark der nördlichen, höher verschuldeten und wirtschaftsschwächeren Bundesländer und einer Süd-Mark der wirtschaftsstärkeren südlichen Bundesländer kommt, ist schwer vorhersehbar. Möglich wäre auch eine Währung auf Landesebene (Hessen-Taler, Bayern-Gulden), die zueinander in Konkurrenz stehen, bis sich die stärkere und stabilere durchsetzt oder es zu einer Währungsunion auf der Ebene einiger Bundesländer kommt.
Fortsetzung folgt