Es ist schon ein wenig absurd, daß in Deutschland die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung vollends zusammenbricht und der Rechtsstaat ins Wanken gerät, weil in Japan die Erde gebebt hat. Während das Volk angesichts der fernen Katastrophe über den Zustand der eigenen Atommeiler zunehmend alarmiert ist, läßt sich die Bundesregierung offenbar von der Panik anstecken, anstatt die Situation durch besonnenes Handeln zu beruhigen.
Innerhalb weniger Stunden stellte sie wegen eines möglichen atomaren Gaus auf der anderen Seite der Welt die ganze hiesige Energiepolitik in Frage, revidierte ihre eigenen Entscheidungen, verhängte ein dreimonatiges Moratorium für ältere Atommeiler – und mißachtete dabei auch noch die Rechte des Bundestags.
Über das Ziel hinauszuschießen gehört hierzulande dazu
Ein wenig übertrieben, könnte man sagen. Aber das Übers-Ziel-hinausschießen – das gehört hierzulande offenbar dazu. Schließlich erlebe ich derartig hysterische Überreaktionen hier nicht zum ersten Mal. Man denke da nur an Fälle wie die Schweinegrippe, die CO2-Hysterie oder auch den „Kampf gegen Rechts“, bei denen ebenfalls erst politisch gehandelt und dann reflektiert wurde.
Die Frage ist, warum eine uralte Nation wie Deutschland immer wieder so leicht aus den Fugen gerät und sich in ihren Entscheidungen, Meinungen und Absichten so wenig standhaft zeigt. Schließlich scheinen sogar die Japaner, deren Welt tatsächlich vor einem möglichen nuklearen Abgrund steht, einen kühleren Kopf zu behalten als die Deutschen auf ihren heimischen Sofas beim Anblick der Bilder des tausendsten ARD-Brennpunkts zur Katastrophe.
Als souveräne Stärke kann man die voreilige, fast schon hysterische Reaktion der Kanzlerin auf die Ereignisse in dem japanischen Kernkraftwerk wirklich nicht deuten. Eher reagierte sie wie ein Fähnlein im Winde auf die Böen der öffentlichen Meinung und die Angst, die die Presse hierzulande immer wieder gerne schürt.
Die Entscheidung der Kanzlerin als deutsche Gründlichkeit
Und obwohl die schwarz-gelbe Koalition bislang nicht gerade durch Prinzipientreue und das Festhalten an den eigenen politischen Positionen aufgefallen ist, hätte man in dieser Frage doch ein wenig mehr Standhaftigkeit erwartet. So aber stellt sich die Frage, bei welchen Entscheidungen sich die Bundesregierung künftig noch von ein wenig Husten, Prusten und Pusten beeinflussen läßt – wenn Medien, Opposition und Lobbie-Gruppen nur laut genug schreien.
Wohlwollend betrachtet, könnte man die Entscheidung der Kanzlerin als typisch deutschen Charakterzug auslegen, der dem Drang geschuldet ist, sich ständig verbessern und weiterentwickeln zu wollen, um schließlich stärker, effizienter, sicherer und auch moralischer zu sein als der Rest der Welt.
Doch da ich Deutschland nicht zuletzt für seinen Kampfgeist und diese Zielstrebigkeit bewundere, zweifele ich gerade bei der derzeitigen Regierung an solch edlen Motiven.