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Der Typus Guttenberg

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Beim Sport werden sympathische Verlierer manchmal zu „Siegern der Herzen“ ernannt. Ob der noch immer – sehr unverdientermaßen – so beliebte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, nachdem er die Flucht nach vorn angetreten und auf seinen Doktortitel verzichtet hat, allerdings „Doktor der Herzen“ bleiben kann, ist fraglich. Was vor einigen Tagen so begann, daß Guttenberg und seine Parteifreunde noch die Parole ausgeben konnten, es handle sich lediglich um ein paar vergessene Fußnoten, entpuppte sich mittlerweile als beispielloser Skandal.

Bislang wurden in den Medien vor allem dessen politische Implikationen hervorgehoben und der „Vertrauensverlust“, der „Schaden für unsere Demokratie“ usw. beklagt, als gäbe es hier noch viel zu zerstören. Trotz der Gewöhnung an die Mentalität „unserer“ Politiker ist man erstaunt, mit welcher Dreistigkeit Guttenberg erst von „abstrusen Vorwürfen“ spricht, sodann „einige Fehler“ zugibt, schließlich gönnerhaft auf „seinen“ Titel verzichtet, sich dabei noch „kämpferisch“ gibt und nun – in kitschigster Form das Opfer mimend – die Affäre „im Kreise seiner Familie durchzustehen“ ankündigt.

Wo war die CSU bei der Hatz auf Hohmann, Herman und Steinbach?

Auch die Verlautbarungen anderer Unionspolitiker zeugen von verblüffend ungeschminktem Machtpragmatismus: Hans-Peter Uhl (CSU) etwa gibt ganz offen zu, daß Guttenberg wie ein Sechser im Lotto sei und um jeden Preis gehalten werden müsse. „Nein“, möchte man ihm zurufen, „er ist genauso eine Niete, wie sie unser Politikbetrieb aus systemimmanenten Gründen notwendigerweise immer neu produziert.“

„Und“ – so wäre weiter zu fragen – „wo ward ihr eigentlich, als die Hetzjagden gegen Martin Hohmann, Eva Herman oder Erika Steinbach geführt worden sind? An einem gesinnungslosen Karrieristen und Plagiator wollt ihr wieder gutmachen, was ihr an ehrbaren Persönlichkeiten versäumt habt? Ist das alles, was ihr nach Jahrzehnten linker Mediendominanz über politische Kampagnen gelernt habt?“

Noch gravierender scheint sich der Fall Guttenberg aber auf das Ansehen des akademischen Betriebs auszuwirken, denn von einem Politiker erwartet man kaum etwas anderes als die von Guttenberg gebotene traurig-unfreiwillige Komödie, während die Öffentlichkeit noch immer andächtig lauscht, wenn sich ein professoraler Experte zu Wort meldet.

Grelles Schlaglicht auf den Zustand unserer Universitäten

Was von deren Expertisen oft genug zu halten ist, kann am Beispiel von Guttenbergs Doktorvater, dem „renommierten Staatsrechtslehrer“, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Ehrendoktor zahlreicher Universitäten und akademischem Multifunktionär Peter Häberle, studiert werden. Seit die „Schummelvorwürfe“ – wie Guttenbergs mutmaßliche Betrügereien verniedlichend genannt werden – im Raume stehen, ist der emeritierte Professor laut Handelsblatt „abgetaucht“.

Die Phrasen, die er der Bild-Zeitung übermittelt hat, klingen denen aus der Politik verdächtig ähnlich: Der Plagiatsvorwurf sei absurd, die Dissertation von ihm eingehend begutachtet worden, Guttenberg einer seiner besten Doktoranden gewesen. Um so peinlicher für ihn, um so erbärmlicher für die deutsche Wissenschaft, wenn eine Arbeit, die zu weiten Teilen aus nicht ausgewiesenen, zusammengeklitterten Abschriften besteht, von ihm mit „summa cum laude“ bewertet wird.

Die Affäre läßt nicht nur Zweifel mindestens an der gutachterlichen Sorgfalt des Vielschreibers aufkommen, der kürzlich ein Büchlein mit „Pädagogischen Briefen an einen jungen Verfassungsjuristen“ veröffentlicht hat, als wollte er dem Fall noch seine persönliche Prise Komik beifügen, sondern wirft ein grelles Schlaglicht auf den Zustand unserer Universitäten insgesamt.

Guttenbergs Plagiat als Spitze des Eisberges

Guttenbergs Plagiat markiert die Spitze des Eisbergs – nicht nur, weil auch sonst viel plagiiert oder von „Ghostwritern“ geschrieben wird (das auch!), sondern weil der akademische wie der politische Betrieb denselben „Typus Guttenberg“ nach denselben negativen Selektionsmechanismen hevorbringen: den smarten Karrieristen, Anpasser und Aufsteiger.

Ist er Wissenschaftler, wird seine Reputation an der Länge von Publikationslisten und dem „Ansehen“ von Verlagen, an Tagungsteilnahmen, Drittmitteln, Gastprofessuren, Festschriften und Ehrendoktoraten abgelesen; ist er Politiker, entscheidet seine klischeehaft inszenierte Medienpräsenz über Wahlerfolge, Ämter, Diäten und Pensionen.

Der nach Erkenntnis um ihrer selbst willen strebende Forscher ist genauso tief in die Vergangenheit entrückt, genauso fremd und beinahe skurril geworden, wie der am Wohlergehen des Volkes orientierte Staatsmann.

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