Das moderne Portugal braucht zur Rettung seiner Staatsfinanzen mehr Kredite als jüngst veranschlagt. Statt der vereinbarten etwa 80 Milliarden sollen es lieber 100 Milliarden sein, und davon gehen allein zehn Milliarden für die Banken drauf.
Jetzt war zu hören, daß das kleine Land über Goldreserven verfügt, und natürlich wird in der Eurokratie nicht ohne Häme die Forderung laut, daß die doch erst mal verkauft werden könnten, damit weniger Kredite gezahlt beziehungsweise aufgenommen werden müßten. 382,5 Tonnen Gold im Wert von über 18 Milliarden US-Dollar, sagenhafte neun Prozent der portugiesischen Wirtschaftsleistung, liegen da im Keller, die höchste Quote in Europa überhaupt.
Woher kommt dieser Schatz? – Antonio de Oliveira Salazar (1889–1970), der stets verkürzt als portugiesischer Diktator gilt, hat ihn im vorigen Jahrhundert eingebracht. Der Historiker Filipe Meneses meint dazu: „Das Gold hatte im Salazar-Regime einen sehr hohen Stellenwert. Salazar war ein strenger Konservativer, vor allem hinsichtlich finanzieller Fragen, und wollte ein Höchstmaß von Unabhängigkeit für Portugal. Er glaubte, daß Portugal zu jedem Zeitpunkt das nationale Überleben sichern mußte. Nach Ansicht von Salazar mußte ein kleines und armes Land wie Portugal seine Unabhängigkeit über solide Finanzen und eine feste Währung gewähren. In diesem Sinne unterscheidet er sich ganz extrem von den aktuellen Politikern in Portugal.“
Aha, ein „Faschist“ also! Man belese sich aber lieber gründlich über diesen Mann, um einen Gegenentwurf des modernen Finanzmanagements zu bekommen: Er war Kind kleiner Verhältnisse, sein Vater nur ein armer Pächter. Kaum war für den Jungen das Schulgeld aufzubringen, so daß sich die katholische Kirche seiner annahm und ihn an der Universität Coimbra Ökonomie und Finanzwissenschaften studieren ließ. Als kompetenter Mann wurde er dann der rigorose Finanzminister der Militärregierung Antonio Oscar de Fragoso Carmona. Vollständige Handlungsfreiheit über die Staatsfinanzen zu haben war seine Bedingung, in die Regierung überhaupt einzutreten. Überdies war auf Parteien und Gewerkschaften in der Diktatur keine Rücksicht zu nehmen. Es gelang Salazar damals, mit einem harten Sparprogramm den Staatshaushalt auszugleichen und alle Auslandsschulden des kleinen Landes zu bezahlen.
Ein Gegenbeispiel zur gängigen Maßlosigkeit
Ab 1932 war er Premierminister und etablierte einen Autoritarismus ohne Totalitarismus und Antisemitismus und pflegte eine Neutralität, die es Portugal ermöglichte, seinem „stolzen Isolationismus“ autark und autonom zu folgen.
Salazar ist sicher nicht zu verklären. Er ist ein typisches Kind der damaligen europäischen Ära. Immerhin genießt er bei vielen Portugiesen Hochachtung, so sehr, daß er in einer Fernsehsendung über die großen Portugiesen immer noch abgeschlagen Platz eins inne hat, übrigens gefolgt von seinem großen Gegner, dem Kommunisten Alvaro Cunhal.
Der strenge Rechner Salazar, der selbst auf Luxus weitgehend verzichtete, ist das Gegenbeispiel zur gängigen Maßlosigkeit vermeintlich moderner Staaten, die zu Service-Agenturen des großen Geldes verkamen und nebenher das Europa der Vaterländer zugunsten eines freien Durchmarsches der Finanzindustrie planierten.