Unlängst hatte ich im Verlauf einer längeren Bahnreise eine Stunde Aufenthalt in Koblenz. Dort setzte ich mich ins Bahnhofscafé, um der beißenden Kälte in der Halle zu entgehen – ein Café, das auch über den mittlerweile verbreiteten Flachbildfernseher an der Wand verfügte.
Mit Stefan Aust nach Ostberlin
Dort lief gerade N24. Um genau zu sein: Die Dokumentationsreihe „Zeitreise“ mit Stefan Aust. Thema waren die letzten Wochen und Monate der „DDR“ nach dem Mauerfall.
Vieles aus diesen Tagen ist allgemein bekannt, doch leider im öffentlichen Bewußtsein hinter das Spektakel des 9. November 1989 zurückgetreten. In jedem Fall waren die Filmaufnahmen von Ostberliner Bürgern, die sich in den verlassenen Schaltzentralen der SED mit den Füßen auf den Tischen herumlümmeln, sehr genüßlich anzusehen.
„Neonazis“ für die Ehrenrettung der Stasi
Dann allerdings ging es um ein Kuriosum, das mich aufhorchen ließ. Kurz vor dem Ende der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik stand das ehemals mächtige Ministerium für Staatssicherheit auf der Abschußliste des neugewählten Ministerrates. Die Chef-Spitzel reagierten darauf, indem sie die Bedrohung der Republik durch die „Neonazis“ aufbauschten – jene Skinheads, deren Existenz zuvor ausschließlich jenseits des „antifaschistischen Schutzwalls“ verortet worden war.
Nun wollte man sich also jener radikalen Elemente bedienen, die man jahrzehntelang totgeschwiegen hatte, um mithilfe einer Art „Strategie der Spannung“ die Weiterexistenz des eigenen Dienstes zu rechtfertigen. Schlußendlich wollte man das MfS, das mittlerweile Amt für Nationale Sicherheit (AfNS oder – laut Aust – „NaSi“…) hieß, gar noch in – und hier wird es wirklich absurd – Verfassungsschutz umtaufen.
Schluß mit den Schlapphüten
Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Am 13. Januar 1990 beschloß der DDR-Ministerrat die ersatzlose Auflösung des AfNS, und die Angehörigen der Nationalen Denunziationsbehörde mußten endlich den Schlapphut an den Nagel hängen. Damit hat die Geschichte sozusagen ein glückliches Ende gefunden, doch bekommt das Ganze angesichts der offensichtlichen Verschleierungsabsicht bei der Verwendung des Wortes „Verfassungsschutz“ doch einen etwas bitteren Beigeschmack.
Zumindest finde ich es nicht besonders kreativ von den Herren Schwanitz et al., „Neonazis“ als Grundlage für fortgesetzte Überwachung und das drohende Damoklesschwert des Staatssicherheitsdienstes heranzuziehen. Geschichte wiederholt sich eben doch immer wieder – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Jemand hier, der sich mit mir schelmisch fühlt?