Das Web 2.0 ist in aller Munde: bietet es den Menschen doch die Möglichkeit zu einer Vielzahl von Interaktionen. In den letzten Monaten gab es viel zu diskutieren. Thilo Sarrazins Interview über Kopftuchmädchen und den ökonomischen Beitrag der türkischen Zuwanderer zum Gemüsehandel, die Schweizer Volksabstimmung zum Verbot von Minaretten und seit letzter Woche das Urteil des Bundesgerichtshofes, welches im Todesfall des Asylbewerbers Ouri Jallow den Freispruch für die Polizisten aufhob.
Besonders interessant war das letzte Beispiel. Alle Medien berichteten über die Schlamperei der Polizei bei den Ermittlungen, weniger über den Hintergrund des Opfers. Flüchtlingsinitiativen und Freunde des Verstorbenen kamen zu Wort, die der Polizei Rassismus und Mord vorwerfen durften. Daß Jallow mit Drogen handelte, eine Frau schwängerte, sie dann im Stich ließ und in betrunkenem Zustand randalierte, wird nahezu nirgends erwähnt. Kein Wort darüber, warum er von den Polizeibeamten fixiert wurde und daß er auf dem dortigen Revier seit langem einen hohen Bekanntheitsgrad hatte.
Verstöße gegen die „Nettiquette“
Ein Blick in die Diskussionsforen bei den großen Zeitungen zeigte, wie stark die Diskrepanz zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung tatsächlich ist. Die meisten Menschen hatten nur wenig Verständnis für das Urteil, aber viel für die Polizei. Und wie reagierten die Etablierten? Innerhalb kürzester Zeit wurde eine Vielzahl von Diskussionsforen wegen Verstößen gegen die „Nettiquette“ gesperrt. Sicher, angesichts des Todes eines Menschen waren einige Äußerungen geschmacklos, jedoch der Großteil der Kommentare bewegte sich in einem vernünftigen Rahmen.
Die Zensur durch die Redaktionen zeigt vor allem eines: die Medien sind überfordert. Volkes Stimme haben sie nichts entgegenzusetzen. Das letzte Mittel ist immer, die Foren abzuschalten. Dieser Effekt ist nicht einmalig, sondern tritt bei allen möglichen Konfliktthemen auf. Bleibt abzuwarten, wann die Leser abschalten.