Sie sind der lebendigste germanische Volksstamm: die Vandalen. Täglich werden Hunderte Fälle bekannt, in denen sie ihr Unwesen getrieben haben. Besonders in Polizeiberichten wimmelt es von Vandalen: „Vandalen schlugen Heckscheibe ein“, meldet etwa die Kreispolizeibehörde Kleve. Und das Polizeipräsidium Südhessen berichtet: „So rissen die Vandalen das hintere Kennzeichen mit Gewalt ab und warfen alle Fußmatten aus dem Wagen auf die Straße.“
Die Vandalen sind rund 1.600 Jahre nach der Völkerwanderung in der ganzen Welt anzutreffen. Nicht nur in der Schweiz werden sie gesichtet: „Vandalen haben in Männedorf zwischen Donnerstag und Freitag auf einem Friedhof verschiedene Gräber beschädigt und dabei einen Sachschaden von rund 2000 Franken angerichtet“ (Neue Zürcher Zeitung).
In ganz Europa hinterlassen sie ihre Spuren: „Vandalen haben in einem muslimischen Friedhof in Komotini, im Nordosten Griechenlands, wo noch eine ethnische türkische Minderheit lebt, Gräber geschändet“ (Short News). Überhaupt scheinen es die Vandalen sehr gern auf Friedhöfe und Kirchen abgesehen zu haben: „Vermutlich übers Wochenende war die Figur der Bamberger Bistumspatronin auf der Unteren Brücke wieder einmal Ziel von Vandalen“ (Fränkischer Tag).
Wüteriche oder Weichlinge?
Da der germanische Stamm der Vandalen untergegangen ist, können sie sich nicht gegen diese Ehrabschneidung wehren. Hoch zu loben ist daher der Versuch der Oldenburgischen Volkszeitung, über das wahre Wesen der Vandalen aufzuklären: „Vermutet wird, daß die Vandalen religiöse Menschen waren. Gesichert ist, daß der Germanenstamm, der ab 375 nach Christus durch Europa zog und später im Norden Afrikas heimisch wurde, von blinder Zerstörungswut wenig hielt. Besonders die reichen Vandalen waren keine Wüteriche, sondern Weichlinge mit einer ausgeprägten Vorliebe für heiße Bäder. Daher würden sich die Vandalen für den Unbekannten sehr schämen, den die Krimpenforter Dorfgemeinschaft jetzt gegen Zahlung einer Belohnung von 100 Euro sucht.“
Die gegenteilige Einstufung als „Weichlinge“ ist natürlich ebenfalls übertrieben und inzwischen von der Forschung widerlegt. Überliefert sind jedoch die Worte des Bischofs Salvanius von Marseille, der im 5. Jahrhundert schrieb: „Wenn unter Goten- oder Vandalen-Herrschaft jemand ein lasterhaftes Leben führt, dann ist es ein Römer. Denn die Goten und Vandalen setzen durch sittliche Reinheit und Gradlinigkeit einen so hohen Maßstab, daß sie nicht nur selber zuchtvoll waren, sondern sie haben auch die Römer geläutert.“
Ersetzt die Vandalen durch Gallier!
Woher kommt es jedoch, daß die Vandalen immer schuld sein sollen, wenn etwas zerstört wird? Verantwortlich ist ein französischer Bischof, Henri-Baptiste Grégoire, der in einer Schrift vom 28. August 1794 die Zerstörung von Kunstwerken durch radikale Jakobiner anprangerte. Dafür prägte er das Wort „Vandalismus“, das sich so rasch verbreitete, daß es die Académie française 1798 in ihr Wörterbuch aufnahm. Schon in der frühen Neuzeit galten die Vandalen westlich des Rheins als Kulturzerstörer, während die deutschen Humanisten die germanischen Stämme einschließlich der Vandalen wohlwollend bewerteten.
Warum die Deutschen heute die französische Sichtweise übernommen haben, mag jeder für sich selbst beantworten. Jedenfalls haben die Vandalen lange genug unter dem böswilligen Sprachgebrauch gelitten. Damit muß endlich Schluß sein. Daher rufe ich alle Medien dazu auf: Ersetzt die „Vandalen“ durch „Gallier“! Die Schmähung der Vandalen stammt ursprünglich aus Frankreich. Daher ist jetzt ausgleichende Gerechtigkeit angesagt. Seit den Taten von Asterix und Obelix ist es jedem halbwegs Gebildeten bekannt, daß die Gallier zu den gewalttätigsten Völkern gehören. Wie lautete Obelix’ Lieblingsplan? „Wir gehen hin und schlagen alles kurz und klein.“ Wenn das kein Gallierismus ist!