Die russische Politikwissenschaftlerin Elena Pustovoitowa hat sich in einem Beitrag auf den Internetseiten der in Moskau ansässigen unabhängigen russischen Denkfabrik Strategic Culture Foundation, die beratend auch für die russische Regierung oder russische Unternehmen aktiv ist, mit der Frage der Zukunft der globalen (Noch-)Führungsmacht USA beschäftigt.
Das derzeitige Bestreben des US-Kongreß, chinesische Importe mit Strafzöllen zu belegen, hält sie für eine „politische Show“, die mit Blick auf die Kongreßwahlen („Midterm-Elections“), die diese Woche anstehen, inszeniert wird. Der Heftigkeit, mit der derzeit das Währungsdumping der Chinesen in den USA angegriffen werde, steht aus der Sicht von Pustovoitowa die Art und Weise gegenüber, mit der die USA „übersähen“, daß sich China bereits als kontinentaler Gigant etabliert habe.
Die USA setzten mit dieser Ignoranz zum Beispiel ihren Status als maritime Supermacht aufs Spiel. Die Modernisierung und ständige Ausweitung der chinesischen Marine, in Kombination mit dem forcierten Ausbau ihrer U-Boot-Waffe, die nach Meinung von Experten dem US-Kontingent bald überlegen sein wird, dürfte schon bald den Zugriff der US-Marine auf strategisch wichtige Bereiche des Pazifischen Ozeans ernsthaft einschränken.
Der Charakter der chinesischen Herausforderung
Das Tamtam um die Strafzölle gegen China verhindere weiter, daß sich die Vereinigten Staaten mit dem eigentlichen Charakter der Herausforderung, die China darstellt, beschäftigten. Der Nutzen, den China aus seiner Rolle als „globaler Fabrik“ zieht, wirke sich im hohen Maße auf die Politik aus. Geringe Arbeitskosten, eine gut entwickelte Infrastruktur, ein gutes Investitionsklima und günstige Handelsvereinbarungen in Verbindung mit der Arbeitsethik der Chinesen haben China zu einem Top-Anbieter kostengünstiger Produkte auf den globalen Märkten gemacht.
An dieser Situation werde auch eine mögliche Aufwertung des Yuan gegenüber dem Dollar nichts ändern. Der Dollar habe zum Beispiel gegenüber anderen wichtigen US-Handelspartnern seit 2002 rund 23 Prozent an Wert verloren, ohne daß sich dies in einer nennenswerten Belebung des US-Exports niedergeschlagen hätte.
Angriff auf die westlichen Industriestaaten
China, das drei Jahrzehnte in die Infrastruktur investiert und auf niedrige Arbeitslöhne gesetzt hat, trete nun in eine neue Phase ein. Da nicht mehr nur arbeitsintensive Produkte exportiert werden sollen, wird in die Ausbildung und Fertigkeiten der Arbeiter investiert, um eine weitere Etappe der wirtschaftlichen Entwicklung in Angriff nehmen zu können. Entsprechend seien die Zahlen der Studenten und Ausbildungsstätten angewachsen.
Nach US-Schätzungen wird das chinesische Bruttosozialprodukt um das Jahr 2040 die Höhe von 123 Billionen US-Dollar erreichen, womit die chinesische Wirtschaft die größte der Welt sein wird. Die eigentliche Herausforderung für den Westen und insbesondere für die USA wird in Zukunft darin bestehen, daß sich China aufgrund seines Heeres von gut ausgebildeten und disziplinierten Arbeitern mehr und mehr auf Produkte verlegen wird, die bisher in den westlichen Industriestaaten hergestellt worden sind. Dafür werden bereits jetzt, zum Beispiel durch die Sicherung der Metalle Seltener Erden, die Weichen gestellt.
Rußland bestenfalls „geachteter Partner“
Vor diesem Hintergrund, so Pustovoitowa, sei die Hoffnung, daß die USA das eklatante Handelsungleichgewicht mit China und damit ihr Arbeitslosenproblem vor allem durch eine Aufwertung des Yuan lösen könnten, auf Sand gebaut. Es gebe in den USA eine Haltung, die die Einsicht darin zu umgehen versucht, daß es dem Land schlicht an den Voraussetzungen mangelt, die für eine Rückgewinnung wirtschaftlicher Leistungskraft notwendig wären.
Hierbei wäre es, dies sei an dieser Stelle angefügt, eine gesonderte Erörterung wert, inwieweit die ethnische Homogenität Chinas einen weiteren entscheidenden Faktor der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem „Melting pot“ USA darstellt.
In der Summe wird sich die USA, so die Prognose Pustovoitowas, damit abfinden müssen, daß die chinesische Einflußsphäre in Zukunft von Zentralasien bis hin zu den wichtigen Schiffahrtsrouten des Pazifischen Ozeans reichen wird. Anders ausgedrückt: Die USA wird sich in Zukunft die Rolle globaler Führerschaft mit China teilen müssen. Daß es an den Peripherien dieser Einflußzonen – mit welchen Konsequenzen auch immer – zu Reibungen kommen wird, dürfte auf der Hand liegen. Rußlands Rolle in dieser Auseinandersetzung wird sich, auch das spricht für Unabhängigkeit der Analyse Pustovoitowas, bestenfalls auf die Rolle eines „geachteten Partners“ beschränken.