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Krematorium als Kraftwerk?

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In Kopenhagen erhalten Krematorien eine Zweitfunktion als Heizkraftwerke: Der heiße Dampf des Verbrennungsprozesses wird – nach einer Filterung – direkt in kommunale Fernheizungen geleitet. „Dänen tun noch im Tod Gutes für die Umwelt“, lobt die Bild-Zeitung.

Das mit der Umweltschonung mag stimmen, aber wie fühlt es sich an, wenn man abends im beheizten Zimmer sitzt und weiß: Diese Wärme ist das Nebenprodukt einer Leichenverbrennung? Wen überkommt dann kein Frösteln, das sich auch mit pragmatischer Argumentation kaum verdrängen läßt? Schließlich ließe sich fragen: Wenn Organspende oder die Nutzung von Leichen für medizinische Forschung Leben rettet, also ethisch nicht nur vertretbar, sondern förderungswürdig ist, warum sollte Heizwärme durch Leichenverbrennung verwerflich sein?

Frierende sind dafür dankbar. Die Frage läßt sich noch höher schrauben: Wenn, wie im Film „2010…Die überleben wollen“ (1973), eine Bevölkerungsexplosion die Ernährung aller Menschen unmöglich macht, wäre es dann legitim, das Fleisch Verstorbener zum synthetischen „Soilent Green“ (so heißt das Nahrungsmittel in besagtem Film) zu verarbeiten?

Die Natur praktiziert „Recycling“ in kältester Form

Der Tote erleidet doch keinen Schaden, er „ist“ ja nicht mehr. Jede Kultur, ob materialistisch oder spirituell, hat die Wiederverwertung menschlicher Organismen betrieben, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Dennoch stoßen selbst radikale Materialisten, denen der Mensch nur aus „Biochemie“ und „Informationsprozessen“ besteht, irgendwann an die Ekelschwelle – zumindest die Mehrzahl von ihnen. Dabei praktiziert die Natur „Recycling“ in kältester Form: Jeder verstorbene Organismus wird sofort weiterverarbeitet.

Unzählige Lebewesen, die aus seinen Überresten ihr Leben bestreiten. Für den Melancholiker Hegel offenbarte sich darin die Nichtigkeit alles Irdischen. Von dieser Erkenntnis seien selbst die Tiere nicht ausgeschlossen, „sondern verzweifelnd an dieser Realität und in der völligen Gewißheit ihrer Nichtigkeit, langen sie ohne weiteres zu, und zehren sie auf; und die ganze Natur feiert, wie sie, diese offenbaren Mysterien“.

Die „Nahrungskette“, Fressen und Gefressenwerden, ein Beweis für die Nichtigkeit alles organischen Lebens? Und damit auch des Menschen? Betrachtet man das Leben (nur) aus biochemischer Perspektive, müßte man zugeben: Der Natur sind die eigenen organischen Wunderwerke keinen Cent wert. Aber der Organismus begegnet uns (zudem) als Persönlichkeit.

Unüberbrückbare Kluft an der Nahtstelle zwischen Psyche und Materie

Nicht nur mit Augen, sondern auch mit einem „Blick“, aus dem ein irreduzierbares Subjekt uns anschaut. Diese Innenperspektive kann auch durch subtilste Ableitung aus dem Stofflichen nicht relativiert werden. Und doch verschwindet diese „Persönlichkeit“ mit dem Tod des Organismus – ob ins Nichts oder in eine andere Dimension mag offenbleiben, in jedem Falle aus unserem Erfahrungsbereich.

Nur, der zurückgebliebene Organismus war Teil der entschwundenen Persönlichkeit, war untrennbar mit ihr durchdrungen. Genau hier, an der Nahtstelle zwischen Psyche und Materie, offenbart sich eine unüberbrückbare Kluft. Beide sind eins und sind es doch nicht. Der Mensch ist einmalige Person und wiederverwertbare Materie zugleich.

Das ist schwer zu ertragen, aber kein Monismus, kein „Ganzheits“-Denken hilft darüber hinweg. Diese Unlösbarkeit führt zu ständiger Verschiebung der Priorität. Sie führt dazu, daß der jeweilige Leidensdruck einer Gesellschaft entscheidet, ob der Respekt vor der – entschwundenen – Person oder der Wunsch nach biochemischer Wiederverwertung überwiegt. 

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