Margot Käßmann, die Bischöfin, hat seit Jahresbeginn ja nun einige Empörung ausgelöst. Politiker verschiedener Couleur übten heftige Kritik an der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es stellt sich die Frage: Warum eigentlich? Inhaltlich könnte man mit ihr diskutieren, aber daß und wie sie sich äußert, ist doch mehr als legitim.
Was hat sie denn gesagt, als sie sich in einem kurzen Abschnitt ihrer langen Predigt über den Afghanistan-Einsatz äußerte? „Nichts“ sei gut in Afghanistan. „Fast nichts“ wäre vielleicht treffender gewesen, aber ganz falsch liegt sie mit ihrer Einschätzung wohl nicht. Weiterhin sagte sie, „all diese Strategien“ täuschten darüber hinweg, daß Soldaten nun einmal Waffen benutzten und auch Zivilisten töteten. Das ist sachlich richtig.
Denn deutsche Soldaten kämpfen, sterben, töten und sie verursachen kriegerische „Begleitschäden“. Nur ist das erst seit ein paar Monaten im öffentlichen Bewußtsein angekommen – und das auch immer noch nicht so ganz. Zivile Hilfsorganisationen hingegen kämpfen und töten eben nicht, sie verursachen auch keine kriegerischen „Begleitschäden“. Wobei die Option des Sterbens auch ihnen offen bleibt (vor allem, wenn sie ohne militärischen Schutz agieren).
Geistliche leisten großen Dienst für Soldaten
Wenn Frau Käßmann als evangelische Christin im weiteren Verlauf ihrer Predigt nun ein „klares Friedenszeugnis“ fordert und „gegen Gewalt und Krieg“ aufbegehren möchte, dann bekommt es natürlich diesen pazifistischen Anstrich, diesen gutmenschlichen Ruch. Das mag für Widerwillen sorgen. Aber sie äußert sich als Geistliche gegen den Krieg – was ihr gutes Recht ist. Sie wird es wahrscheinlich sogar für ihre Pflicht halten.
Die Bischöfin selbst spricht an, daß man sie deshalb für naiv halte. Aber selbst ein „Nichtpazifist“ wie Peter Scholl-Latour sagt in der Tendenz nichts anderes als die vermeintlich blauäugige Theologin: Raus aus Afghanistan. Wenn sie an anderer Stelle einen ruhigen, geordneten Abzug fordert, dann ist dieser Aufruf ein Beitrag zur Debatte. Diesen gleich als „Ersatz für eine transzendente Botschaft“ zu werten oder als „Rückzug auf einen einfachen Pazifismus“ – wie ein Vorstandsmitglied der grünen Heinrich-Böll-Stiftung das im Deutschlandfunk getan hat – führt dann doch zu weit. Da hat die Bischöfin in ihrer Predigt doch mehr gesagt.
Auch der Bundeswehrverband spart nicht an Kritik. Käßmann habe nur „neue Frustration“ für die Soldaten geschaffen. Nun: Als ob gerade ihre Aussagen das Zünglein an der Waage wären. Als ob nicht genug andere Dinge die Soldaten frustrierten. Diese Debatte halten sie aus. Zumal: Die Kirchen drücken sich nicht. Etliche evangelische und katholische Geistliche leisten – hier wie dort – einen wichtigen und großen Dienst in der Militärseelsorge. Die Kritik am Einsatz ist nicht mit der Kritik am Dienst, am Soldaten, an der Armee gleichzusetzen. Das dürfen wir nicht vergessen.