Es gibt Dinge, die sind auch einen Kommentar wert, selbst wenn sie bereits zwei Wochen zurückliegen. Vor allem, wenn sich die eigene Erregung über ein Ereignis trotz zeitlichem Anstand zu diesem nicht legen will. So verhält es sich bei mir mit dem Zapfenstreich zur Verabschiedung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU).
Ob Koch sich den letzten Abend seiner langen politischen Karriere so vorgestellt hatte, als er vor dem Biebricher Schloß zum „kleinen Zapfenstreich“ antrat? Man weiß es nicht, doch zumindest ließ sein Gesichtsausdruck vermuten, daß er das Ganze eher zum Fremdschämen fand.
Und das war es auch – eine zur Show verkommene militärische Zeremonie zum Fremdschämen. Zwar war Koch daran nicht ganz unschuldig, schließlich hatte er sich ein Medley aus Udo-Jürgens-Liedern gewünscht, doch mußte deshalb gleich das komplette Heeresmusikkorps zur bongoschlagenden Unterhaltungskombo mutieren?
Hüftschwingende Männer in Uniform
Mit Militärmusik hatte der Auftritt jedenfalls kaum etwas zu tun. Oder stellt man sich heutzutage unter dem Begriff Soldat womöglich hüftschwingende und hampelnde Männer in Uniform vor? Vor allem der Sänger – der eher an einen drittklassigen Schlagerstar erinnerte, wie sie Sonntag nachmittags im Seniorenheim mit Keyboard als Ein-Mann-Kapelle auftreten – erwies seinem Berufsstand keine Ehre. Oder trägt der deutsche Soldat heute generell sein Haar getönt und dazu eine tuntige lila Sonnenbrille – bei Nacht?
Wenn das Ganze nicht so unglaublich unwürdig und haarsträubend wäre, müßte man eigentlich darüber lachen. Doch so empfindet man nur Abscheu und vor allem Verachtung.
Verachtung, insbesondere für diejenigen, die aus einer ernstzunehmenden Armee einen solchen Affenzirkus gemacht und deren Soldaten gründlich entmannt haben. Was ist nur aus dem weltweit anerkannten, gefürchteten und auch bewunderten deutschen Soldaten geworden?
Blau-bebrillter Tunten-Sänger
Einen versöhnlicheren Eindruck boten im Gegensatz zu dem blau-bebrillten Tunten-Sänger zwar die anwesenden fackelhaltenden Soldaten und die angetretene Ehrenformation, doch auch sie konnten die bittere Wahrheit über die völlig verkommene Bundeswehr nicht mehr kaschieren. Vor allem nicht, da auch der Kommandierende des Zapfenstreichs am Ende lächelnd mitwippte. Und selbst der Kommentator des Fernsehsenders stellte zum Schuß ein wenig verblüfft fest, daß Militärmusik heute offenbar „gar nicht stark“ sein muß.
Ja, stark und zackig – das war mal. Auch ich frage mich langsam, warum ich deutsche Offiziere bislang immer bewundert habe. Am Hüftschwung wird es wohl nicht gelegen haben.