Kürzlich sagte mir eine Religionslehrerin genau denselben Irrsinn, den ich schon oftmals aus dem Mund unwissender Schüler hören mußte: Die oftmals in der Kirche anzutreffenden Buchstaben P und X könnten auch als Abkürzung für Pax = Frieden verstanden werden. Die meist ineinandergeschriebenen Buchstaben sind allerdings kein P und X, sondern ein X und P, die griechischen Anfangsbuchstaben für Christus.
Es scheint mir geradezu symptomatisch für eine weichgespülte Zeitgeist-Religion, daß Sie das Bekenntnis zum Herrn Jesus Christus in harmoniesüchtiger Hybris ersetzt hat durch einen innerweltlichen Frieden. Auch sind nicht wenige Deutsche der Meinung, wenn im Radio so viel von „freedom“ gesungen wird, ginge es um Frieden. Der missionarische Auftrag des Christentums ist sowieso schon längst vergessen, das Evangelium mit seiner herausfordernden Radikalität heute in der Verkündigung meist entschärft. Bloß nicht anecken! Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb…
Kein Wunder, wenn dann im Gottesdienst ein nicht selten ausufernder Friedensgruß praktiziert wird. Über mehrere Bänke hinweg werden Menschen die Hände geschüttelt. Der Priester schreitet mitunter durch die ganze Kirche und lässt das Allerheiligste auf dem Altar allein zurück. So mancher meint, hier die zuvor versäumte Begrüßung nachholen zu müssen.
„Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert“
Es wird übersehen, worum es eigentlich geht, nämlich sich mit dem zu versöhnen, mit dem man sich verstritten hat. Aber das ist dann womöglich der einzige Mensch, dem man an dieser Stelle nicht die Hand reicht. Dann hätte man den Auftrag Jesu geradezu pervertiert.
Eingeleitet wird der durch die Liturgiereform wiederbelebte Friedensgruß durch das Herrenwort im Evangelium: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ (Joh 14,27a) Doch Jesus hat damit keinen falschen Frieden gemeint, der entsteht, wenn Grundfragen des Glaubens und der Moral, die zwangsläufig zu Kontroversen führen, einfach ausgeblendet werden.
An einer anderen Stelle sagt Jesus: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ (Mt 10,34) Und das oben erwähnte Jesus-Wort geht weiter: „Nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch.“ (Joh 14,27b) Warum wird dieser Satz eigentlich im Gottesdienst unterschlagen?