Deutsch ins Grundgesetz? Nicht nötig, schließlich sei in mehreren Gesetzen festgelegt, daß Deutsch die Amtssprache ist. So war es immer wieder als Entgegnung zu hören, wenn die Bürger forderten, auch in der Bundesrepublik Deutschland die Landessprache in der Verfassung zu verankern; eine Forderung, die laut Umfragen rund 70 Prozent der Deutschen teilen. Stimmt: Daß Deutsch Gerichts- und Amtssprache der Bundesrepublik Deutschland ist, regelt das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG, Paragraph 23), das Sozialgesetzbuch (Paragraph 19) und das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG, Paragraph 184). „Die Gerichtssprache ist deutsch“, heißt es dort unmißverständlich.
Leidet Deutschland unter der deutschen Sprache?
Wie wichtig eine Grundgesetzerweiterung ist, zeigt sich jetzt. Denn Deutsch ist nun auch als Gerichtssprache bedroht: Die Justizminister von Nordrhein-Westfalen (Roswitha Müller-Piepenkötter, CDU) und Hamburg (Till Steffen, Grüne) wollen den Paragraphen 184 ändern und um die englische Sprache erweitern. Die Begründung Müller-Piepenkötters lautet: „Der Gerichtsstandort Deutschland leidet darunter, daß das Gerichtsverfassungsgesetz Deutsch als Gerichtssprache vorschreibt.“ In einem Gesetzentwurf für den Bundesrat schlagen die beiden Minister vor, „Kammern für internationale Handelssachen“ einzurichten. Diese könnten bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten das gesamte Gerichtsverfahren vollständig auf englisch abwickeln.
Die Presse jubelt über die Verdrängung der deutschen Sprache
Wer jetzt einen Aufschrei der Empörung in der Presse erwartet, der sieht sich getäuscht, denn das Gegenteil ist der Fall: Kommentare in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und im Rheinischen Merkur bejubeln geradezu das schwarz-grüne Ansinnen. Gert Freyland mahnt im Merkur: „Jedes in London durchgeführte internationale Verfahren steigert das dortige Bruttosozialprodukt.“ Bedenken gegen die Verdrängung der deutschen Sprache wischt er beiseite: „Die vom Grundgesetz für notwendig angesehene Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung ist übrigens hinreichend gewährleistet. Schließlich verstehen mehr als 50 Prozent der Bundesbürger mehr oder weniger fließend Englisch.“ Joachim Jahn bezeichnet in der FAZ Deutsch als Gerichtssprache sogar als „eine Absonderlichkeit im deutschen Wirtschaftsrecht“. Diese „starre Festlegung“ passe „nicht in eine globalisierte Welt“.
Werden nun auch die Gerichte privatisiert?
Offenbar hat Eike von Repgow vor 800 Jahren nach Ansicht der Globalisierer nur aus einer Laune heraus den Sachsenspiegel in deutscher Sprache statt in Latein verfaßt. Der Beobachter fühlt sich in die Zeit des tiefsten Neoliberalismus Ende der 90er versetzt. Es fehlt eigentlich nur noch die Forderung, die deutschen Gerichte zu privatisieren oder, noch besser, sie an amerikanische Investoren zu verkaufen, um sie dann zurückzumieten. Wenn Gerichte nur noch als Werkzeug zur Profitmaximierung und als Standortfaktor gesehen werden, dann sprechen sie eines garantiert nicht mehr: Recht.