Den Trigema-Schimpansen kennt jeder. Seit Jahr und Tag wirbt er für Trikotagen aus heimischer Produktion. Nach seinem Auftritt steht dann Firmenpatriarch Wolfgang Grupp stolz und ein wenig eckig in seiner Fabrik in Burladingen auf der Schwäbischen Alb und verspricht, auch weiterhin nur in Deutschland zu produzieren und heimische Arbeitsplätze zu sichern, wenn die Leute denn weiter seine Leibchen und Polohemden kaufen.
Seit ein paar Wochen hat Wolfgang Grupp Gesellschaft bekommen in der „besten Minute“ vor der Tagesschau. Von Anfang Mai bis Ende Juni verkündet in den wichtigsten Sendern 30 Sekunden vor den Hauptnachrichten auch Ernst Prost, Inhaber und Geschäftsführer der 1957 in Ulm gegründeten Liqui Moly GmbH, seine Botschaft, die der des Trigema-Chefs verblüffend ähnlich ist: Wir produzieren unsere Motoröle und Schmierstoffe nur in Deutschland, wir zahlen auch unsere Steuern nur in Deutschland, wir schaffen neue Arbeitsplätze und bilden aus, wir nehmen weder Subventionen noch Kurzarbeit in Anspruch.
Wer heimische Produkte an den Mann bringen will, nutzt üblicherweise die Sicherung deutscher Arbeitsplätze als verstärkendes Argument, um sich von ausländischer Billigkonkurrenz abzusetzen und potentielle Kunden zu überzeugen, mehr Geld auszugeben, um dafür Qualität „made in Germany“ zu erhalten.
Unbedingte Standorttreue
Um so bemerkenswerter, daß Ernst Prost seine unbedingte Standorttreue und seine unternehmerische Verantwortung für das Gemeinwesen zum wichtigsten Alleinstellungsmerkmal erklärt:
„Die Auswahl an Schmierstoffen im Markt ist groß, der Qualitätsunterschied minimal. Also entscheidet sich der Verbraucher für das Produkt, dessen Marke er die größte Sympathie entgegenbringt. Dabei ziehen weltweit agierende Konzerne, die als einziges Krisenbekämpfungsmittel Kurzarbeit und Personalabbau bevorzugen, die Produktion in Billiglohnländer verlagern und sich in Steuerparadiesen niederlassen, den Kürzeren. Schließlich ist der Kunde aufgeklärt!“
Letzteres ist freilich eher Wunsch als Tatsachenfeststellung; deshalb auch investiert Liqui Moly mit beachtlichem Aufwand in eine multimediale Kampagne, um neue Kunden, aber auch weitere Händler und Vertriebspartner zu gewinnen.
Und natürlich bietet der Ulmer Mittelständler den internationalen Ölkonzernen bislang weniger auf dem Massenmarkt Paroli als aus einer von diesen wenig beachteten Nische heraus: vielfältigen, spezialisierten und hochtechnologischen Kraftstoffzusätzen, Hilfsmitteln, Schmierstoffen und Motorenölen, die auch höchste Anforderungen erfüllen.
Selbstbewußte Werbeoffensive
Daß die Stoßrichtung seiner selbstbewußten Werbeoffensive dennoch kein aus der Luft gegriffener Marketing-Trick ist, belegt ein sehenswertes ausführliches Video-Interview mit Ernst Prost auf den Internetseiten von Liqui Moly.
Standorttreue, heißt es da, sei für einen Unternehmer „eine Verpflichtung“. Deutschland sei „ein gutes Land für einen Unternehmer“ und seine Mitarbeiter, weil man „von den deutschen Rahmenbedingungen, den deutschen Gesetzen, der deutschen Kultur“, dem Wirtschaftsgefüge, der Freiheit, der Demokratie profitiere.
Deshalb ist es für Prost nicht nur eine Frage der Nützlichkeit, junge Menschen auszubilden und vor Arbeitslosigkeit zu bewahren. „Ein Unternehmer muß auch dem Gemeinwohl dienen, er muß sich verpflichten, nicht nur Gewinne zu maximieren“, denn „es gibt auch eine soziale Rentabilität, nicht nur eine ökonomische“.
Prost grenzt sich als Unternehmer von der anonymen Kapitalgesellschaft und vom Egoisten, der „sich nur die Taschen vollstopft“ und „verbrannte Erde hinterläßt“, scharf ab: „Ein Unternehmer ist ein Mensch, der sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt, der sein Talent, seine Fähigkeiten, seine Arbeitskraft dafür einsetzt, daß es auch anderen Menschen gutgeht.“
„Gewinner der Globalisierung“
Globalisierung und Standorttreue sind für Prost dabei kein Widerspruch. Er bezeichnet sein Unternehmen als „Gewinner der Globalisierung“, der die Chancen für weltweite Geschäfte nutze und in 90 Ländern präsent sei. Sein Erfolgsrezept mag altmodisch klingen: „respektvoll, anständig und demütig miteinander umgehen“, mit Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und allen, mit denen man zu tun hat. „Dieser Respekt ist verlorengegangen in den letzten Jahren.“ Statt dessen habe „schnöder Kapitalismus, Raubtierkapitalismus, Egoismus und eine unglaubliche Geldgier und Habsucht“ Raum gegriffen.
Dabei sei der Mensch „das wichtigste in einem Unternehmen“, auch wenn er in keiner Bilanz auftaucht, denn „der Mensch macht die Erfolge und auch die Mißerfolge“, und, optimistisch: „Wenn ich als Unternehmer gut bin zu den Menschen, dann sind auch die Menschen zur Firma gut und damit auch zu mir. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber auch das ist verlorengegangen in diesen Zeiten.“
Tugenden des „ehrbaren Kaufmanns“
Es wäre wohl gewagt, von einem Trend zu sprechen, dennoch ist unübersehbar: Hier hat einer erkannt, daß in Krisenzeiten die Tugenden des „ehrbaren Kaufmanns“ wieder gefragt sind, der mehr Standfestigkeit hat als ein mittlerweile fahnenflüchtiger Bundespräsident, der dieses Ideal einmal in einer Rede beschworen hat.
Im Foyer von Prosts Ulmer Firmensitzes kann jeder diese, seine Werte nachlesen: Vertrauen. Ehrlichkeit. Zuverlässigkeit. Fleiß. Fürsorge. Demut. Bescheidenheit. Güte. Loyalität. Respekt. Liebe. Anstand. Dankbarkeit.
Statt „Geiz ist geil“ und Betteln um staatliche Konjunktur- und „Rettungs“-Programme auf Steuerzahlers Kosten also Werben mit Tugenden und Werten. Im Grunde ein ermutigendes Zeichen – und ein möglicher Wegweiser aus der Krise.