Keine Frage: Die neue Spiegel-Titelgeschichte „Der bessere Präsident“ über Joachim Gauck trifft den Nagel auf den Kopf. Der frühere Stasi-Unterlagenbeauftragte wäre der richtige Mann an der richtigen Stelle. Von rechts bis links bekommt er soviel Unterstützung, daß es einem schon fast unheimlich werden kann. Christian Wulff ist beinahe zu einer Randfigur geworden, obwohl er doch der haushohe Favorit ist.
Woran mag das wohl liegen? Was spricht gegen Wulff, was für Gauck?
Einer wie Wulff gerät niemals mit dem Zeitgeist aneinander so wie Roland Koch oder Edmund Stoiber. Diese Typen gibt es immer seltener in der deutschen Politik. Es gibt keine markanten Forderungen Wulffs, dafür aber seine Selbsteinschätzung, er traue sich das Kanzleramt nicht zu.
Und: Einer wie Wulff fällt seine Personalentscheidungen nicht nach Begabung, sondern nach Quoten-Gesichtspunkten. Es sei nur an zwei fatale Minister-Ernennungen erinnert: Ursula von der Leyen („Sowjetkrippen-Zensursula“) und Aygül Özkan (fordert mehr türkische Richter, und dafür weniger Kreuze in Klassenzimmern).
Ohnmächtig, nicht obrigkeitshörig
Ganz anders Joachim Gauck: Er hat in jungen Jahren dem Druck des SED-Terrors standgehalten, ist nicht wie Angela Merkel in die FDJ eingetreten und hat später die Behörde zur Aufarbeitung der Diktatur aufgebaut.
Er profitiert genauso wie Horst Köhler davon, daß er nicht als „zum Parteienkartell dazugehörig“ eingeordnet wird. Dieses Parteienkartell ist auch deswegen so verhaßt, weil die Bürger zum Zuschauen verdammt sind – nicht nur bei der Wahl des Präsidenten.
Es ist genau diese Ohnmacht, die sich durch alle Bereiche zieht; die uns die multikulturelle Bereicherung unserer Innenstädte, die Abschaffung der D-Mark, immer neue Steuererhöhungsorgien und einen ausufernden Beamtenstaat beschert hat. Über die Deutschen wird gern gesagt, sie seien obrigkeitshörig.
Ausgeprägte Staatsskepsis
Die Wahrheit ist aber, daß alle diese Mißstände gegen den Willen der Bürger zustande gekommen sind, dank einer Parteiendemokratie, die sich den Staat zur Beute macht – samt Karrierepolitikern wie Christian Wulff. Stimmzettel dienen dazu, uns ruhigzustellen, wie mit einem Schnuller: Wirklich ändern können wir sowieso nichts am Lauf der Dinge.
Gegen all das steht Joachim Gauck. Er ist der erklärte Anti-Parteien-Kandidat, verkörpert eine ausgeprägte Staatsskepsis, wie sie vor allem frühere DDR-Bürger mitbringen, die wissen, was „totaler Staat“ im Endeffekt bedeutet. Möge ihm das Unmögliche gelingen!