Einen regelrechten Boom erlebt derzeit die Internet-Plattform Twitter (dt. Zwitschern). Ursprünglich machte es als Lachnummer die Runde, als der Politavantgardist Hubertus Heil (SPD-Generalsekretär) im August 2008 aus den USA via Twitter live vom Parteitag der Demokraten mittels der möglichen 140 Zeichen kabelte (Spiegel: „Twittern im Obama-Rausch”), was bei der Obama-Show so abging.
Nachdem der Demokrat Obama insbesondere durch einen modernen Internet-Wahlkampf das Feld bestimmte und siegte, verstummten rasch die Witze über die Möglichkeiten, Kampagnen über das Netz zu führen und Online-Gemeinschaften zu bilden. Inzwischen wimmelt es von Twitter-Seiten auch von großen Medien, ob FAZ, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Tagesschau oder ZDF. Selbst Zeit und Rheinischer Merkur sind hier „am Start“.
Warum? Es geht darum, insbesondere junge, nachrichtenbegeisterte Nutzer an ein Medium zu binden. Deshalb hat sich die JF im Zuge der Überarbeitung der Internetseite auch nicht lumpen lassen und hat hier einen Anschluß eingerichtet.
Inzwischen jedoch häufen sich Meldungen über die mißbräuchliche Nutzung von Twitter-Seiten. So freuen sich viele Zwitscherer, dort persönlich auf Rainer Calmund, Sarah Wagenknecht oder Harald Schmidt zu treffen und sie „verfolgen“ zu können. Bei letzterem, der inzwischen über 7.000 „Follower“ verfügt, wurde jedoch jetzt publik, daß nicht Harald Schmidt, sondern der clevere Student Rob Vegas hinter dieser „Fake“-Seite steckt.
Die linke taz klagt deshalb (selbst kräftig am Zwitschern): „Das Schöne am Internetvögelchen: jeder Depp kann sich mit fremden Federn schmücken und ein Promi-Account anlegen.“ So scheint es zu sein. In jedem Fall ist auch dieses Netzwerk ein Tummelplatz für Spinner, Nervensägen und Leute mit zu viel Zeit …
Laut einer aktuellen Untersuchung sollte jedenfalls Twitter auch hinsichtlich der Bindungskraft nüchtern betrachtet werden: „Mit steigender Popularität von Twitter scheint auch das Ausmaß der Belanglosigkeiten zuzunehmen. Es fällt vor allem Neueinsteigern immer schwerer, wahrhaft interessante Twitterer zu finden.“ (Holger Schmidt auf FAZ.net)
Den passenden Kommentar zum Twitter-Hype findet man so auch auf einem wahrscheinlich ebenfalls von einem pfiffigen Germanistik-Studenten betriebenen Twitter-Fake-Account „Walter Kempowski“. In seiner gewohnt rustikalen Art zwitschert der am 5. Oktober 2007 verstorbene geniale Rostocker Schriftsteller (Tadellöser und Wolff, Echolot, Alles umsonst) aus dem Jenseits: „Diese elende Twitter-Scheiße! Nur Idioten! Schluß jetzt! Tür zuschlagen und immer schön mit dem Wind pinkeln!“
P.S.: Mich erreichen Sie unter https://twitter.com/Dieter_Stein …