Von Zeit zu Zeit ist es die Sicht eines Außenstehenden, welche dem Selbstbild zu nötigen Korrekturen verhelfen kann. Es bietet vielleicht einen Anhaltspunkt für das, was normal, nicht normal oder auch seltsam ist. Einen Blick auf das deutsche Verhältnis zum Soldaten gibt uns die New York Times: „No Parade for Hans“. Ein Titel, der Spott vermuten läßt.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Autor des Artikels, Nicholas Kulish, ist Deutschland-Korrespondent der amerikanischen Zeitung. Er reibt sich verwundert die Augen, wenn er sieht, wie die Deutschen ihre Soldaten behandeln. So beschreibt er recht mitleidig eine Situation, die ihm des öfteren am Berliner Hauptbahnhof begegnet: Die traurige und einsame Gestalt eines Soldaten, schwer bepackt, warte dort auf den Zug. Wie jeder andere auch. Kein anderer Fahrgast würde innehalten, um ihm für seinen Dienst zu danken, geschweige denn um ihn zu fragen, ob er denn schon im Einsatz gewesen sei.
Die Einsamkeit des Soldaten, den Kulish sah, erschien ihm offensichtlich. Vermutlich war es ein Wehrpflichtiger, vielleicht auch ein junger Unteroffizier. Darüber hinaus macht der Amerikaner noch etwas anderes aus: Furcht. Eine Angst vor den mitunter feindlichen Blicken einiger weniger, gepaart mit dem großen Desinteresse aller anderen, die einfach nur so tun, als sei er nicht anwesend.
Keine jubelnden Menschenmengen
Der amerikanische Zeitungsleser muß ein seltsames Bild von uns Deutschen bekommen. Kulish stellt nämlich weiter fest, daß die deutsche Gesellschaft aufgrund der Zeit des Nationalsozialismus eine komplizierte Beziehung zum Krieg an sich habe (Anmerkung: vereinfacht formuliert, aber nicht unwahr). Das Ergebnis sei eine weit verbreitete Gegnerschaft gegen fast jeden bewaffneten Konflikt und damit auch gegen den Afghanistan-Einsatz. Was wiederum solchen Argwohn gegen die Uniformträger bedinge.
Das erscheint ihm unbegreiflich, gerade aufgrund des Kontrastes zu dem, was er in seiner Heimat erlebt. Denn dort unternähmen selbst die Gegner von Militäreinsätzen größte Anstrengungen, um ihre Unterstützung für den normalen Soldaten zum Ausdruck zu bringen. Schließlich kämpfe und sterbe er auch für sie. Wenn aber deutsche Soldaten zurückkehrten, warteten keine jubelnden Menschenmengen. Niemand sei dort, um Helden aus ihnen zu machen.
Deutschland, so schreibt der Amerikaner, habe der Heldenverehrung den Rücken zugekehrt. Die deutschen Soldaten kämpfen allein.