„Nacktscanner“ ist ein häßliches, aber passendes Wort für ein wundersam wieder aus der Versenkung aufgetauchtes Projekt. Noch im Sommer haben Europas Innenminister das Vorhaben, alle Flugreisenden beim Passieren von Kontrollmonitoren virtuell bis auf die Haut auszuziehen, unter dem Eindruck breiten Widerstands in der Öffentlichkeit weit von sich gewiesen.
Der dilettantische Beinahe-Anschlag eines nigerianischen Islamisten am ersten Weihnachtsfeiertag hat ausgereicht, um den „Nacktscanner“ wieder auf die Tagesordnung zu setzen – ganz ohne öffentlichen Entrüstungssturm.
Nun ist es fraglos ein berechtigtes Anliegen eines jeden für die öffentliche Sicherheit Verantwortlichen, im Rüstungswettlauf mit Islam- und anderen Terroristen um die raffiniertesten Sicherheitsvorkehrungen und ihre noch raffiniertere Überlistung nicht zurückzufallen. Und der technische Fortschritt mag zweifellos dazu beitragen, den Eingriff in die Privatsphäre auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.
Dennoch bleibt die unbehagliche Frage, warum die Remedur stets und stereotyp zuerst in einer Einschränkung der bürgerlichen und individuellen Freiheitsrechte aller bestehen soll. Die offenkundigen Pannen bei den mehrfach vorgewarnten US-Sicherheitsbehörden und -Geheimdiensten legen jedenfalls den Schluß nahe, daß eine Reform der ineffektiven Arbeit dieser Datensammel-Institutionen aus Selbstzweck weit dringender wäre als die Einführung einer Technologie, mit der man Bürger wie Handgepäck durchleuchten kann.
„Privatsphären-Fundamentalismus“
Totales Sicherheitsdenken führt, wie jeder Totalitarismus, zum Verlust der Freiheit. Wer sich gegen jedes Lebensrisiko rückversichern will, kann als Gefangener des eigenen Sicherheitswahns am Ende keinen Schritt mehr vor die Tür setzen. Dabei könnte nicht einmal eine absolute Sicherheitsdiktatur das Katastrophenrisiko bei Flugreisen hundertprozentig ausschließen – ein Risiko übrigens, dem wir uns beim Bahnfahren ganz ohne perfektionistische Kontrollapparate und aufwendige Sicherheitstechnologie tagtäglich aussetzen.
Wer lebt, riskiert. Freiheit ist ohne Gefahr nicht zu haben. Das nüchterne Abwägen von Risiken kann dem eigenverantwortlichen Individuum keiner abnehmen. Auch das gehört zur Debatte um die Sicherheit des kollektiven Transportwesens in Zeiten des Terrorismus.
Eine simple Parole wie „Nackt und nicht tot“, mit der der FAZ-Chefatlantiker Klaus-Dieter Frankenberger das friedensbewegte „lieber rot als tot“ aus der Ära des Kalten Krieges adoptiert und als eifriger Lobredner des amerikanischen Vollkasko-Sicherheitswahns gegen den „Privatsphären-Fundamentalismus“ zu Felde zieht, wird dem Ernst der Sache jedenfalls nicht gerecht.