Endlich! Wir hatten wieder ein Skandälchen: Thilo Sarrazin hat „Kopftuchmädchen“ gesagt. „Skandalös“ und „rechtsradikal“ sollte sein Interview mit der Kulturzeitschrift Lettre International gewesen sein, er wurde als „bornierter Ignorant“ tituliert. Ein türkischer Zentralbanker war sich indes nicht zu schade, seinen Gott um mehr Verstand für den deutschen Bundesbanker anzuflehen.
Die erwartbaren Beißreflexe diverser Zeitungen, Politiker und sonst irgendwie Berufenen waren sicherlich einkalkuliert, schließlich erlebt der 64jährige sie nicht zum ersten Mal. Und das Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank muß sicherlich nicht um seinen „Job“ bangen. Sollte er ihn verlieren, fände sich für den leistungsstarken Volkswirt doch sicher eine andere Anstellung. Wirtschaftlich kann er es sich erlauben, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
Doch Sarrazin repräsentiert nicht nur sich selbst, sondern auch die Deutsche Bundesbank. Und die ist berechtigterweise um Konsens und Verschwiegenheit bemüht. Vielleicht hätte er die – sachlich richtigen – Inhalte seines Interviews mit Lettre International höflicher, diplomatischer ausdrücken sollen?
Seine Worte wären verpufft
Andererseits: Was hätte er mit Zurückhaltung bewirkt? Wer hat Lettre International bis zum Tag X des Interviews gekannt, geschweige denn gelesen? Politisch korrekte Worte wären verpufft, sie hätten höchstens für vereinzeltes Naserümpfen gesorgt: Bei den einen ob ihres Inhalts, bei den anderen ob ihrer verklausulierten Weichheit. Und vor allem: Wer sonst hat eine vergleichbare Wirkung in der Öffentlichkeit und äußert sich derartig deutlich?
Wenn den politisch Verantwortlichen die Erkenntnisfähigkeit oder der Schneid fehlt, sich zu artikulieren, dann muß wohl einer wie Sarrazin aus der Reihe tanzen. Angesichts der tatsächlich vorhandenen Probleme in Sachen Ausländer-Integration, und angesichts des Schweigens vieler anderer, tat sein Tabubruch wohl not.
Und letztlich sagte er nur das, was nach zweieinhalb Pils selbst westdeutschen Jusos über die Lippen kommt: Wir haben ein Problem. Wir müssen offen darüber reden. Wir müssen handeln. Punkt.