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Die Edschmids von heute

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Die Edschmids von heute

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Am 12.Juli geht im Berliner Literaturhaus, Fasanenstraße 23, die Ausstellung „Doppelleben. Literarische Szenen aus Nachkriegsdeutschland“ zu Ende. Der Titel spielt nicht auf die deutsche Zweistaatlichkeit an, sondern auf Gottfried Benns gleichnamige Autobiographie, in der Benn seine Position in Deutschland während der NS-Zeit erklärt und rechtfertigt. „Doppelleben“ meint also ein Jekyll-Hyde-Syndrom, daß die frühe Adenauer-Ära – auch als „Restaurationsphase“ bekannt – beherrscht hätte. Die wird nun ebenfalls bewältigt.

Als ein Haupt-Bösewicht wird Kasimir Edschmid (1890-1966) vorgestellt, eine heute weitgehend vergessener Schriftsteller. Das Kindler-Lexikon führt drei Bücher auf, die ihn als Expressionisten ausweisen. Später verblaßte sein Ruhm, er betätigte sich als Reiseschriftsteller, Walter Benjamin nannte ihn ein „Symbol für anspruchsvolle Belanglosigkeiten“. Nach dem Ende des Dritten Reiches wurde er zu den „inneren Emigranten“ gerechnet.

Als Mitbegründer und Präsident der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung kam er noch einmal zu Einfluß und zu später Bekanntheit, die sich nach seinem Tod umgehend verflüchtigte. Und doch: ein Repräsentant! Der Katalog nennt ihn, neben Hermann Kasack und Frank Thiess, sogar einen „Drahtzieher“ des literarischen Lebens damals: Eine Facette der deutschen Literaturgeschichte, die heute durch den Mythos der „Gruppe 47“ verdeckt ist.

Fleißig in Archiven geforscht

Die Ausstellungsmacher haben fleißig in Archiven geforscht und herausgefunden, daß es Edschmid im Dritten Reich gelungen war, „sich ganz gut über Wasser zu halten“. Bereits am 1. Dezember 1932 – Hitlers Machtergreifung lag noch in der Zukunft – drückte er gegenüber Hans Grimm, dem Verfasser von „Volk ohne Raum“, die Sorge aus, die Nationalsozialisten könnten seine eigentlich so positive Gesinnung mißverstehen.

Fünf Tage nach der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 schrieb er nochmals an Grimm, der inzwischen der Preußischen Akademie der Künste angehörte, und teilte ihm „die Scham, den Schmerz und die Enttäuschung“ darüber mit, in einem Atemzug „mit der ganzen zersetzenden Literatengesellschaft“ genannt zu werden. 1943/44 wandte er sich mehrmals an Baldur von Schirach, den Reichsstatthalter in Wien, beziehungsweise an dessen Dienststelle: Man möge ihn von der Einquartierung Bombengeschädigter befreien, das Klavierspiel der ungebetenen Gäste hindere ihn an der Arbeit.

Tatsächlich erging ein entsprechendes Fernschreiben von der Wiener an die Münchner Gauleitung, allein, es blieb bei der Einquartierung. Die Bitte um eine Intervention vor einer möglichen Einberufung lehnte Schirach glatt ab. Ein andermal ging es um die Beschaffung neuer Fahrradreifen, die Antwort ist nicht bekannt, aber: „Die Briefe Edschmids sind fast immer mit ‚Heil Hitler‘ unterzeichnet.“

Wink mit dem Zaunpfahl

Was für ein Gesinnungslump!, winken uns die Ausstellungsmacher mit dem Zaunpfahl zu. Und so einer hat nach dem Krieg wieder Karriere gemacht! Also auf, alle Mutigen von heute, zum Großreinemachen!

Man kann es auch anders sehen: Edschmid, der wie 95 Prozent der Schriftsteller seinen Lebensunterhalt mit der Produktion von Konfektionsware verdiente, sieht den Systemwechsel kommen, hat Angst vor den neuen Machthabern, vor Verfolgung, Schreibverbot, Armut. Ins Exil gehen? Im Ausland kennt und will ihn keiner, literarische Konfektion wird auch dort im Überfluß produziert, keine Marktlücke tut sich für ihn auf. Also fühlt er vor, arrangiert und verbiegt sich, heuchelt ein bißchen, antizipiert die Sprachregelungen und Erwartungen der neuen Herren.

Später streckt er sich nach Staatsaufträgen, Preisen, Subventionen, nutzt seine neuen Bekanntschaften, um ein paar Vorteile zu erhaschen. Man will schließlich überleben und das möglichst gut. Was unterscheidet Edschmid im Dritten Reich eigentlich von den Angestellten des BRD-Kulturbetriebs heute?

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