Neulich bin ich an einem sogenannten „Energieraum“ vorbeigelaufen. Beim Anblick des runtergekommenen Hauses und mit bunten Seidentüchern beschmückten Schaufensters habe ich allerdings eher negative Energie gespürt. Denn von der ganzen Esoterikwelle – die hierzulande überdurchschnittlich stark ausgeprägt ist – halte ich überhaupt nichts.
Eine Reiki-Behandlung gibt es beispielsweise dort. Das heißt, die Heilerin legt ihre Hände auf den Körper des „Patienten“ und stelle sich als Kanal für eine „universelle Energie“ zur Verfügung. Dabei werden Mantras gesprochen. Auch „Lichtarbeit“ wird unterrichtet – also wie man mit Gedanken seine Aura beeinflussen kann.
Zudem wird im „Energieraum“ Kundalini-Meditation, Bachblütentherapie und Heilen mit Steinen angeboten. Was noch fehlt, ist eine Aura-Massage. (Daß es so etwas Irrsinniges wirklich gibt, daran habe ich keinen Zweifel.)
„Alle Wege führen zum Ziel“
Viele lachen zwar über solche Esoterik-Spinner, aber die meisten haben dennoch für sie Verständnis. Es sind halt Menschen, die durch die fernöstliche Philosophie „zu sich Selbst“ gefunden haben, sagt man. Vielleicht haben sie dort Ruhe und Frieden entdeckt – etwas, das in der hektischen westlichen Welt fehlt. Das sei ihnen doch gegönnt. Warum auch nicht?
Es ist doch normal, sich zunehmend auf sich selbst und das eigene Wohlergehen zu konzentrieren. Alle Welt macht das. Soll doch jeder sein Glück auf seine eigene Weise finden. „Alle Wege führen zum Ziel“, ist die Divise. Eine absolute Wahrheit gibt es nicht.
Fernöstliche Philosophien und Praktiken sind in Mode. In Einrichtungssendungen im Fernsehen zum Beispiel darf ein Feng Shui-Berater nicht fehlen. Der platziert die Möbelstücke so, daß die Energie schön fließen kann.
Ebenso verhält es sich mit der obligatorischen Buddha-Statue, die man heute schon in jedem Kaufhaus in der Deko-Abteilung bekommt – als nettes Wohnaccessoire, das praktischerweise gleich noch für etwas positivere Energie in den eigenen vier Wänden sorgt. Schaden kann´s ja eigentlich nicht.
Religionsmix und Wohlfühlphilosophie
Für die meisten hat das alles nichts mit echter Religion oder gar einer Lebensentscheidung, die Konsequenzen nach sich zieht, zu tun. Der Mensch will heute am liebsten überhaupt keine Entscheidung mehr treffen. Stattdessen will er ein wenig von allem haben. So bastelt er sich seine eigne Wohlfühlphilosophie aus Buddhismus, heidnischem Glauben und vielleicht ein bißchen Christentum.
In einem individualistischen Zeitalter, in dem alles akzeptabel ist, könnte man glauben, daß auch ein gläubiger Christ sich nicht rechtfertigen muß. Doch wer zugibt, an die Auferstehung Christi zu glauben und daran, daß eben nicht alle Wege zu Gott führen – sondern nur einer, nämlich Jesus – erntet Unverständnis. Ein Grund dafür ist sicherlich, daß sich festzulegen schlichtweg nicht mehr als zeitgemäß erscheint.
Außerdem sind Christen unmodisch intolerant, denn sie glauben nur an eine Wahrheit, und die ist nicht beliebig interpretierbar. Zudem kommt für einen Christen die Nächstenliebe nunmal vor der Eigenliebe. Da bleibt wenig Platz für Wohlfühlphilosophien, und das strahlt eben keine besonders offene Aura aus.