Schon am gestrigen Vormittag wurden die ARD-Zuschauer eingestimmt auf die kommende Steuererhöhungsdebatte. Der DGB-nahe Publizist Rudolf Hickel und die scheidende Taz-Chefin Bascha Mika durften darüber streiten, wie und warum noch mehr Steuern nötig seien. Daß unsere Regierung einfach mal Ausgaben kürzt und ein wenig Geld einspart – darauf kam niemand.
Der eigentliche Höhepunkt der Sendung waren deswegen die Anrufer danach (zu sehen auf Phoenix zu hören auf WDR 5). Beim „Presseclub nachgefragt“ sagte ein empörter Anrufer, wir erlebten keine Krise des Kapitalismus, sondern der Staat gebe einfach viel zu viel aus und solle endlich mal sparen.
Allgemeines Unverständnis in der Runde. Bascha Mika meinte nur, mit Leuten, die bestreiten, daß die augenblickliche Krise eine „Krise des Kapitalismus“ sei, diskutiere sie nicht. Und auch Margaret Heckel von der Welt antwortete, es gäbe nur wenig einzusparen.
Der Staat muß immer mehr ausgeben
Die Botschaft bei der ARD ist klar: Der Staat muß immer mehr und mehr und mehr ausgeben. Es gibt kein Zurück. Wenn das Geld nicht reicht, dann müssen eben noch höhere Steuern her. Genau auf dieser Linie bewegte sich auch die Anne-Will-Sendung am Abend.
Zu Gast waren auf der einen Seite Peter Ramsauer (CSU) und seine Parteifreundin Stephanie Gräfin von Pfuel. Ramsauer ist als führender CSU-Abgeordneter natürlich mitverantwortlich für die Steuererhöhungen und die Defizithaushalte der letzten Jahre – und dementsprechend unglaubwürdig, wenn er jetzt Steuersenkungen verspricht. Die Dame dagegen kam erstens kaum zu Wort und war zweitens qua Herkunft (Gräfin und Schloßbesitzerin) eher eine Zielscheibe.
Auf der anderen Seite saß ein linkes Trio aus dem Journalisten Sascha Adamek, Hans Eichel und Gregor Gysi. Das Gute bei Adamek war, daß er empört über Leute berichtete, die es geschafft haben Geld am Fiskus vorbei zu erwirtschaften. Längere Zeit diskutierten die Gäste, was jetzt verwerflicher ist: der Erwerb eines Bootes in Monaco über eine Firma oder die wertsteigernde Renovierung eines Mietshauses in der Heimat. Für den aufmerksamen Zuschauer waren da einige brauchbare Steuerspartips dabei, die er bei Anne Will sonst nicht bekommt.
Hans Eichels Märchen
Ansonsten war die Runde jämmerlich. Hans Eichel durfte unwidersprochen den größten Blödsinn von sich geben. So behauptete er gleich zu Beginn der Sendung über Steuererhöhungen: „Ich habe ja mehr Steuersenkungen [als Steuererhöhungen] gemacht.“ Ach ja? Ich erinnere mich, daß er die Mineralölsteuer und die Tabaksteuer massiv erhöht und gleichzeitig die Zwangsvergütung für Ökostromproduzenten angehoben hat. Die Steuersenkungen dagegen fielen spärlich aus.
Da bedurfte es schon eines Gregor Gysi, um den Märchen des Hans Eichel Einhalt zu gebieten. Beispiel:
Will: „Würden Sie auch die Mehrwertsteuer erhöhen?“
Eichel: „Das würde ich als letztes machen.“
Gysi: „In der letzten Legislaturperiode haben Sie’s gleich als erstes gemacht.“
Eichel (irritiert): „Das ist ein bißchen komplizierter.“
Gysi (lacht): „Was ist denn daran kompliziert? Die Leute müssen’s bezahlen.“
Steuererhöhungsorgien propagandistisch vorbereiten
Auf der anderen Seite ist Gysi mit seinem Wünsch-dir-was-Wahlprogramm wenig glaubwürdig. Er sagt ja offen, daß er sich noch höhere Steuern wünscht.
Statt einer Betroffenen-Couch gab es diesmal den Reporter, der über Supermarktparkplätze tigerte und Kunden nach ihrem Einkauf befragte. Wieviel haben Sie bezahlt? Um wie viel steigt der Preis für den Einkauf, wenn der verringerte Mehrwertsteuersatz von 7 auf 9,5 Prozent steigt?
Natürlich sind 99 von 100 Passanten mit dieser Frage überfordert, wenn plötzlich jemand mit einer Kamera vor ihnen steht. Die tatsächliche Preissteigerung liegt bei rund zwei Prozent. Aber die befragten Personen schätzten die Auswirkungen viel zu hoch ein: Ein Pärchen, das 66 Euro bezahlt hat, rechnete mit künftig 76 Euro, obwohl es nur 67,50 wären.
Eine andere Supermarkt-Kundin meinte denn auch, das sei ja gar nicht viel. Die Anne-Will-Botschaft war klar: Ist doch alles nicht so schlimm. Diese paar Cent mehr zahlen wir auch noch. So leicht lassen sich massive Steuererhöhungsorgien propagandistisch vorbereiten. Vom Sparen hat in der ganzen Sendung mal wieder keiner gesprochen.