Die größten Sprachverderber sind leider häufig diejenigen, die am meisten für die deutsche Sprache tun könnten. Die Medien und besonders der Große Bruder Fernsehen stehen dabei als Sprachpräger an vorderster Stelle. Die „ProSiebenSat.1 Media AG“ ist das größte deutsche Fernsehunternehmen. Sie hat einen Marktanteil von über 30 Prozent. Außerdem ist sie ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, die deutsche Sprache durch Englisch zu ersetzen.
Am stärksten betreiben ihre Sender Pro Sieben und Kabel 1 die Amerikanisierung der deutschen Kultur. Ein zufälliger Blick in das Programm des vergangenen Donnerstagnachmittags möge als Hinweis genügen:
Kabel 1
Nachmittagsprogramm vom 15. Oktober 2009
12:20 Two and a Half Men
12:45 Two and a Half Men
13:10 Eine schrecklich nette Familie
13:40 Die wilden 70er
14:05 Die wilden 70er
14:35 King of Queens
15:05 King of Queens
15:30 What’s up, Dad?
16:00 kabel eins news
16:10 What’s up, Dad?
16:35 Two and a Half Men
17:00 Two and a Half Men
17:30 Das Fast Food-Duell – Spitzenkoch gegen Lieferservice
Pro Sieben
Nachmittagsprogramm vom 15. Oktober 2009
12:00 SAM
14:00 We are Family! So lebt Deutschland
15:00 U 20 – Deutschland, Deine Teenies
16:00 Reality Affairs
17:00 taff
18:00 Newstime
18:10 Die Simpsons
Es war Günther Oettinger, der behauptete: „Deutsch bleibt die Sprache der Familie, der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest, aber – Englisch wird die Arbeitssprache.“ Angesichts eines solchen Programms muß man sagen: Oettingers Aussage war schönfärberisch. Auch die Sprache der Freizeit soll offenkundig durch Englisch ersetzt werden. Pro Sieben („We love to entertain you“) dreht sogar schon Filme in englischer Sprache und mit englischsprachigen Schauspielern.
Das Stichwort „Schönfärberei“ bringt uns jedoch bereits zum nächsten Sender des Medienkonzerns: Als Angebot für die alternde und immer kleiner werdende deutschsprachige Minderheit in diesem Lande dient auf den ersten Blick der Unternehmens-Sender Sat.1. Der Nachmittag sieht noch einigermaßen deutsch aus. Hier geht es in deutscher Sprache zumeist um deutsches Recht und deutsche Ordnung:
Sat.1
Nachmittagsprogramm vom 15. Oktober 2009
12:00 Richter Alexander Hold
13:00 Britt
14:00 Zwei bei Kallwass
15:00 Richterin Barbara Salesch
16:00 Richter Alexander Hold
17:00 Niedrig und Kuhnt – Kommissare ermitteln
17:30 Niedrig und Kuhnt – Kommissare ermitteln
18:00 Das Sat.1-Magazin
18:30 Anna und die Liebe
19:00 Lenßen & Partner
19:30 K 11 – Kommissare im Einsatz
20:00 Sat.1-Nachrichten
Seit 2008 heißen die „Sat.1-News“ sogar „Sat.1-Nachrichten“. Amerikanisch wird es erst am späten Abend:
22:20 Navy CIS
23:20 Numb3rs – Die Logik des Verbrechens
Dem Programm können wir jedoch nicht entnehmen, auf welche Weise der Zuschauer seit einem Monat immer wieder angebrüllt wird. Der Sender hat nämlich einen neuen Erkennungsspruch: „Colour your life“ befiehlt Sat.1 täglich Dutzende Male seinen Zuschauern. Sogar Franz Beckenbauer gibt sich dafür her, kann freilich seinen bayerischen Akzent nicht ganz verbergen. Sat.1 wirbt also auf englisch. – Augenblick, da war doch etwas?
Früher verständlich, heute Sprachmüll
Richtig, erinnern Sie sich noch an die Endmark-Studie von 2003? Sie sorgte dafür, daß sich mehrere Unternehmen von ihren englischen Sprüchen verabschiedeten – darunter auch Sat.1. Den damaligen Spruch „Powered by emotion“ verstanden nur 33 Prozent der Befragten. Manche übersetzten ihn politisch unkorrekt gar mit „Kraft durch Freude“. Sat.1 zeigte sich lernfähig und setzte seit 2004 auf den neuen Spruch: „SAT.1 zeigt’s allen“.
Seit dem 16. September geht der Sender jedoch wieder mit Englisch auf die Zuschauer los: „Colour your life“. Was will uns der Sender damit sagen? Hat er jetzt endlich das Farbfernsehen entdeckt? Nein, „moderner, noch sympathischer, voller Optimismus und farbenfroh“ will man sich in Unterföhring zeigen. Nach Meinung der Macher geht das mit der deutschen Sprache wohl nicht. Mich erinnert das an die Kampagne „Happy sixty“ des Versandhauses Otto, das zum 60jährigen Bestehen der Bundesrepublik für ein Fernsehgerät mit dem Spruch warb: „Früher schwarz-weiß. Heute Full-HC-LCD mit Ambilight“. Wir verstehen schon: Früher Deutsch, heute Englisch. Anders gesagt: Früher verständlich, heute Sprachmüll. Oder, um es noch einmal mit Ottos Worten auszudrücken: „Früher Rebell. Heute Fashion-Victim.“