Mit einem beachtlichen Dossier kämpft die feministische Zeitschrift Emma in ihrer September/Oktober-Ausgabe für ein Kopftuchverbot für Schülerinnen an staatlichen Schulen. Einer der zehn Beiträge spricht ein gern übersehenes Thema an: Der Konformitätsdruck, der von der steigenden Zahl der Kopftuchträgerinnen in den Klassenzimmern auf integrierte und säkularisierte Mitschülerinnen ausgeübt wird, die sich nicht verhüllen.
Die Islamwissenschaftlerin Rita Breuer schildert darin das „Mobbing gegen kopftuchfreie Mädchen“ am Beispiel einer von plötzlicher Schulangst befallenen vierzehnjährigen Hauptschülerin in Rheinland-Pfalz. „Willst Du aussehen wie eine Deutsche?“ Oder: „Das Kopftuch ist unsere Ehre – hast Du keine?“ Und: „Deinen Eltern ist es wohl egal, wie über Dich geredet wird.“ Und dann auch noch ein Schulbrot im Ramadan – am Ende wechselte das Mädchen zermürbt die Schule.
Kein Einzelfall, meint die Autorin: „In Schulen und Ballungszentren mit hohem Anteil konservativ-muslimischer Familien wird aus der ‚Freiheit‘ zum Kopftuch schnell der Zwang, es tragen zu müssen; eine Entwicklung, die man in der islamischen Welt allenthalben beobachten kann.“
Reichlich blind und naiv
Man muß schon reichlich blind und naiv durch unsere multikulturelle Realität laufen, um diesen Freiheitsmißbrauch zu übersehen und im islamischen Kopftuch- und Frauenverhüllungsfetischismus kein Instrument der Unterdrückung und Herabwürdigung des weiblichen Geschlechts zu sehen. Leider sind eben die Blinden und Naiven für die Schul- und Gesellschaftspolitik in diesem Lande zuständig.
Zum Beispiel der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU). Eine von Breuer zitierte „Handreichung“ aus seinem Hause empfahl im Frühjahr 2008 den mit muslimischen Extrawurstforderungen konfrontierten Lehrern und Schulleitern, Kopftücher und andere Sonderwünsche gefälligst zu akzeptieren und ihrerseits den nicht-muslimischen Mitschülern zu vermitteln und selbst in der sexualisierenden Verschleierung von Kindergartenkindern den Ausdruck „besonderer Liebe und Fürsorge“ zu sehen.
Oder Wolfgang Schäuble (CDU). Eine streitbare Verteidigerin unserer Verfassungswerte, die aus der Türkei stammende Soziologin Necla Kelek, war entsetzt über die „Empfehlungen“ einer Arbeitsgruppe der „Islamkonferenz“, „religiöse Bekleidung“ und Kopftücher dürften an Schulen nicht untersagt werden. Kein staatlicher Vertreter habe dagegen protestiert, daß die „Empfehlungen“ diese Auslegung von „Religionsfreiheit“ ausdrücklich über den staatlichen Bildungsauftrag stellten.
„Biedermann und die Brandstifter“
Wer wie der Schreiber dieser Zeilen Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre ein westdeutsches Gymnasium besuchte, kam an Max Frischs Parabel „Biedermann und die Brandstifter“ nicht vorbei. Hauptperson: Der brave Bürger Biedermann, der trotz aller Warnungen vor den Brandstiftern zu schwach ist, sich der Dreistigkeit zu widersetzen, mit der drei dubiose Gesellen sich auf seinem Dachboden einnisten; der nicht wahrhaben will, was geschieht, als das Trio Benzinfässer unter sein Dach schafft, und sich einredet, es sei ja alles nur ein Spaß und nicht so gemeint, als er ihnen noch hilft, die Zündschnur abzumessen; der sich hartnäckig einredet, die Gäste seien keine Brandstifter, obwohl sie sich selbst so bezeichnen; der dann glaubt, es werde ihm schon nichts passieren, wenn er sich die Okkupanten zu Freunden mache und sie zum Essen einlade; der ihnen schließlich selbst noch die Streichhölzer gibt, mit denen sie sein Haus in die Luft sprengen.
Damals war uns, will sagen unseren Lehrern, die Sache klar: Die Brandstifter sind Hitler und Konsorten, und Biedermann steht für den deutschen Kleinbürger, der die Machtergreifung zugelassen und sich anschließend als Mitläufer arrangiert hat und vorher wie nachher von allem nie etwas gewußt haben wollte.
Heute mag man sich schon fragen, ob die Brandstifter nicht in den Zentralen der muslimischen Lobbyverbände sitzen, die jede Lücke und jede Schwäche ausnutzen, um die vom Toleranzgerede ihrer politischen Klasse paralysierte Bundesrepublik weiter zu islamisieren.
Biedermann stünde dann für die Schäubles und Laschets unserer Tage mit ihrem permissiven und willenlosen Mißverständnis von Freiheit, die sich entgegen der alltäglichen Erfahrung im öffentlichen Raum die Welt in den schönsten Farben zurechtmalen und immer noch alles im Griff zu haben glauben, obwohl schon längst andere die Agenda diktieren.
Nicht umsonst heißt Frischs Parabel im Untertitel schließlich „Lehrstück ohne Lehre“.