Es haben mich viele enttäuschte und wütende neben zustimmenden Briefen erreicht zu meinem Beitrag „Bescheidener Weltenlenker“, der in der vergangenen Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT erschienen ist. Der Text sei hart und verletzend gewesen, den ich über den thüringischen AfD-Politiker Björn Höcke geschrieben habe. Um solche scharfe Kritik an der AfD zu lesen, bräuchte man die JF nicht zu abonnieren, das könne man schon etablierten Medien zur Genüge entnehmen, wurde mir vorgehalten.
Ich wurde gefragt, warum der Text „gerade jetzt“ publiziert wurde. Tatsächlich ist das Buch, anhand dessen Höckes Weltbild und Rhetorik untersucht wurde, schon im vergangenen Sommer erschienen. Offen gestanden fand ich das Buch so schlecht, daß ich es nach der Devise „nicht einmal ignorieren“ nach dem Lesen zunächst zur Seite gelegt habe.
Die weitere Entwicklung der AfD, das Vorgehen des Verfassungsschutzes gegen die Partei und die Reaktionen darauf machten das Buch jedoch wieder aktuell. Schließlich spielt das rechte „Flügel“-Netzwerk unter Führung Höckes eine Schlüsselrolle bei der aufziehenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz und der Wahrnehmung der AfD als einer sich vermeintlich oder tatsächlich radikalisierenden Partei.
Höcke ist der „rosa Elefant“
Man muß sich nichts vormachen: Höcke ist der „rosa Elefant“, der beim Gespräch über die AfD immer im Raum steht, von dem aber in der AfD oft keiner sprechen will. Besser ihn nicht erwähnen, um ihn nicht noch größer zu machen, lautete eine Weile die Devise. Doch „Höcke“ ist vielleicht auch nur eine Chiffre für dahinterstehende hausgemachte Probleme, um die ein Bogen gemacht werden soll.
Für eine politische Szene, die sich hinter dem Banner „Mut zur Wahrheit“ versammelt hat, ist es bemerkenswert, wenn eine wachsende Zahl von Menschen sich nicht mehr zu Fehlentwicklungen in „den eigenen Reihen“ äußert. Es fällt auf, daß in den sozialen Netzwerken, in den Kommentarforen auch unserer Zeitung, in den Parteiversammlungen zunehmend die Lauten dominieren – die Nachdenklichen, Besonnenen jedoch verstummen und sich zurückziehen.
Die Diskussion frischer Zugluft aussetzen
Man kann das Wirken einer „Schweigespirale“ in der eigenen Echokammer beobachten: Politisch Gleichgesinnte schotten sich unter Außendruck und eines wahrlich totalitäre Züge tragenden „Kampfes gegen rechts“ ab, bestätigen sich in ihrer Aufrichtigkeit und überhören dann immer öfter radikalere Mißtöne, die sie früher nicht akzeptiert hätten.
Es ist nicht die Aufgabe unserer Zeitung, Dinge schönzureden – weder bei der Regierung noch der Opposition. Und wir müssen die Fenster der Echokammern öffnen und die Diskussionen frischer Zugluft aussetzen. Björn Höcke habe ich übrigens – audiatur et altera pars – herzlich zu einem streitbaren Interview für die JF eingeladen.
JF 11/19