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Jean Raspail und das „Heerlager der Heiligen“: Im weichen Bauch des Kontinents

Jean Raspail und das „Heerlager der Heiligen“: Im weichen Bauch des Kontinents

Jean Raspail und das „Heerlager der Heiligen“: Im weichen Bauch des Kontinents

Asylbewerber
Asylbewerber
Die italienische Küstenwache rettet afrikanische Asylbewerber: Eine Dystopie wird Wirklichkeit Foto: Guardia Costiera / picture alliance / dpa
Jean Raspail und das „Heerlager der Heiligen“
 

Im weichen Bauch des Kontinents

Wie noch keine literarische Vision zuvor ist Jean Raspails Roman „Das Heerlager der Heiligen“ im Begriff, sich mit mathematischer Präzision in der Realwelt zu verwirklichen. Die Invasion von außen ist die innere Schwäche Europas als Gestalt. Ein Kommentar von Thorsten Hinz.
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Das Preiskomitee in Stockholm hat einer gewiß ehrenwerten, literarisch eher nachrangigen Putin-Kritikerin aus Weißrußland den diesjährigen Literaturnobelpreis zuerkannt und damit weiteres symbolpolitisches und moralisches Restkapital, über das Europa verfügt, im Kampf gegen Rußland verspielt. Ein wirklicher Meister der Gegenwartsliteratur, ein Dichter nicht nur der flüchtigen Stunde, lebt in Paris:

Der 90jährige Jean Raspail, der 1973 den visionären Roman „Das Heerlager der Heiligen“ veröffentlichte, eine grausame Ostergeschichte über die Zerstörung Frankreichs und Europas durch eine Millionen-Invasion von Armutsflüchtlingen, die an der französischen Mittelmeerküste landen. Wie noch keine literarische Vision zuvor ist Raspails Vorausschau im Begriff, sich mit mathematischer Präzision in der Realwelt zu verwirklichen.

Ein großer, europäischer Roman

Das Buch spielt in Frankreich, es atmet die geistigen Traditionen des Landes und die Trauer um seinen Niedergang. Doch Raspail hat zugleich einen europäischen Roman verfaßt, der Franzosen, Deutsche, Spanier, Polen, Ungarn und sogar Russen gleichermaßen angeht. Die europäische Dimension seiner Vision wird durch eine auffällige Abweichung der Realität von der Fiktion unterstrichen: Nicht Südfrankreich, sondern Deutschland erweist sich heute als der weiche Bauch des Kontinents.

Das liegt in der Logik der europäischen Geschichte, denn Deutschland stellt seit Jahrhunderten ein „Kriegsgebiet spezifischer Art“ dar und ist in höherem Maße von politisch-ideologischen Konflikten betroffen als „irgendein anderer Staat der Welt“. Das schrieb Ernst Nolte zur selben Zeit, als Raspail seinen Roman verfaßte.

Ein Golem als deutscher Kanzler

Deshalb ist der von Marine Le Pen und Ukip-Chef Nigel Farage erhobene Vorwurf falsch, Merkels entgrenzte Flüchtlingspolitik sei Ausdruck deutscher Hegemonialsucht. Die Politik der zunehmend golemartig agierenden Kanzlerin beschädigt Deutschland am meisten. Raspails epochaler Roman kann helfen, die Hieroglyphen auf dem Zettel, der dem Golem unter die Zunge geschoben ist, teilweise zu entziffern.

Im Vorwort zur französischen Neuausgabe des „Heerlagers“ 2011 – die vor wenigen Wochen im Verlag Antaios auf deutsch veröffentlicht wurde – faßt Raspail unter dem Begriff „Big Other“ die „Netzwerke der Manipulierer“, die „Petitionsroboter“, die „korrekt angepaßten Medien“, die „Vertreter der sogenannten ‘Intelligenz’“ zusammen, die Tag für Tag die Selbstnegation des Landes und Europas vorantreiben.

Die Invasion von außen ist die innere Schwäche Europas als Gestalt. Zu dieser Hardware Raspails hat Michel Houellebecq mit dem vor knapp einem Jahr erschienenen Roman „Unterwerfung“ die neueste Software geliefert.

Die JUNGE FREIHEIT ist glücklich und dankbar, den hochbetagten Autor in einem Interview präsentieren zu können.

JF 43/15

Die italienische Küstenwache rettet afrikanische Asylbewerber: Eine Dystopie wird Wirklichkeit Foto: Guardia Costiera / picture alliance / dpa
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