Der überraschende Rücktritt von Papst Benedikt XVI. bewegt zu Recht die Welt. Die kleinkarierten Reaktionen der Kritiker auf diese von Menschlichkeit und Bescheidenheit zeugende Entscheidung Joseph Ratzingers unterstreichen seine Größe.
Besonders in Deutschland konnten sich viele, die nationale Schuldkomplexe lieben und pflegen, wenig damit anfreunden, daß ausgerechnet ein Deutscher die katholische Kirche acht Jahre führen sollte. Die Demut, die rührende Schüchternheit gepaart mit intellektueller Tiefe und geistiger Schärfe, die in seinen Reden – beispielhaft vor dem Bundestag – zum Ausdruck kamen, entwaffneten viele Gegner.
Der Rücktritt des Papstes trifft seine Kirche in einem Moment der Bedrängnis des Christentums im allgemeinen und des katholischen Glaubens im besonderen. Versteckt hinter hohl gewordenen Insignien kirchlicher Macht sehen sich Priester und Gläubige in einer immer stärkeren Defensive. Bei der Debatte um Mißbrauchsfälle, der Haltung Roms gegenüber Lebensschutz, Homosexualität, Feminismus und Zölibat geht es häufig weniger um eine vermeintliche „Reform“ der Kirche, sondern um die Zerstörung ihrer geistigen Fundamente.
Bollwerk gegen den Zerfall des Christentums
Angesichts des in eine Vielzahl von Strömungen und Splitter zerfallenen Protestantismus ist die katholische Kirche – bei allen theologischen Unterscheidungen im Detail – das stabile Rückgrat des weltweiten Christentums und der Papst im Idealfall eines Benedikt XVI. Bollwerk gegen seinen Zerfall. Dieser Anspruch auf Widerstand gegen eine relativistische Welt, in der sich alle Institutionen, Hierarchien, Ordnungen, Transzendenz auflösen sollen zugunsten eines alles nivellierenden Individualismus und Materialismus, muß Progressive und Atheisten provozieren.
Benedikt XVI. hatte scharf erkannt, daß eine Belastung der Kirche ausgerechnet ihr materieller Wohlstand, ihre „Weltlichkeit“ ist und ein Christentum des Dienstes, der Entsagung, der Aufopferung hemmen kann. Besonders in Deutschland, wo die Kirchen dank staatlicher Steuererhebung feudal ausgestattet sind, ist die Kapitulationsbereitschaft gegenüber dem Zeitgeist nicht zufällig am stärksten ausgeprägt.
Eindrucksvolle Mahnung
Eindrucksvoll bleibt darum Benedikts Mahnung bei seinem Deutschlandbesuch 2011 in Erinnerung: „Die geschichtlichen Beispiele zeigen: Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein.“
Es ist zu hoffen, daß Benedikt ein Papst nachfolgt, der der Verweltlichung und Auflösung seiner Kirche durch Relativismus ähnlich mannhaft entgegentritt.
JF 8/13