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Streiflicht: Die deutsche Geschichte als Chance

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Streiflicht
 

Die deutsche Geschichte als Chance

In vielen Hauptstädten der Welt sind Fragmente der Berliner Mauer aufgerichtet im Zeichen der Bewunderung für unseren glücklichen Weg zu Einheit und Freiheit. Es ist jedoch bemerkenswert, wie schwer es uns selbst fällt, uns mit dem positiven Ausgang unserer Geschichte anzufreunden. Ein Kommentar zum 9. November von Dieter Stein.
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Die Berliner Mauer am Brandenburger Tor am 9. November 1989 Foto: Wikimedia/Sue Ream mit CC-Lizenz https://bit.ly/EAMLj

Im November, wenn die Dunkelheit schon den Nachmittag beherrscht, ziehen wir uns in die Häuser zurück. Es ist Lesezeit. Meinem ältesten Sohn (10) lese ich gerade von deutscher Geschichte vor. Ein Text für junge Leser. Wie erschließt sich ihm die aufsehenerregende Landschaft unserer Geschichte mit den jahrtausendeweit zurückreichenden Ausläufern, den zerklüfteten Tälern und Höhen?

Vergangene Woche sahen wir zusammen den Spielfilm „Rommel“ mit Ulrich Tukur in der Rolle des legendären Wüstenfuchses. „Warum gewinnen wir nicht?“ lautete die verblüffend einfache Frage, als die Invasion beginnt. Und dann: „Warum wollen die Soldaten Hitler verhaften?“ Wer ist überhaupt dieser Hitler? Wenn wir von der eigenen Geschichte ergriffen werden, so fühlen wir uns von den Siegen, Niederlagen, Katastrophen, den Verbrechen in eigenem oder fremdem Namen persönlich getroffen.

Die „deutsche Frage“ bleibt virulent

Doch die ewige Frage: Ist es gut, daß es zur Herausbildung von kollektiven Identitäten gekommen ist, die den Zusammenschluß von Nationen begründete? Daß wir uns nur in Deutschland diese Frage stellen, die in jedem anderen Land der Welt selbstverständlich mit einem positiven „Ja“ beantwortet wird, zeigt, daß die „deutsche Frage“ virulent ist.

Wenn wir die Herausbildung einer ethnisch und kulturell vielfältigen Welt mit Hunderten selbstbewußten Völkern und Nationen begrüßen, dann muß auch die Nationwerdung des großen Volkes in der Mitte Europas etwas unterm Strich Erfreuliches sein. Aufgabe der Eltern, der Lehrer, allen voran der Politik und der Medien, ist es deshalb, eine solche positive Erzählung lebendig zu erhalten und an die nächste Generation weiterzugeben.

Der 9. November mit seinen widersprüchlichen Daten – Novemberrevolution 1918, den antijüdischen Pogromen 1938 und schließlich dem Mauerfall 1989 – vereint dicht die Tiefen und Höhen der deutschen Geschichte.

Der Moll-Ton überwiegt

In vielen Hauptstädten der Welt sind Fragmente der Berliner Mauer aufgerichtet im Zeichen der Bewunderung für unseren glücklichen Weg zu Einheit und Freiheit, und man blickt staunend auf unser Land. Es ist bemerkenswert, wie schwer es uns fällt, uns mit dem positiven Ausgang unserer Geschichte, der Aufhebung der 40jährigen Spaltung unseres Vaterlandes, anzufreunden.

Immer wieder überlagert in der Öffentlichkeit der Moll-Ton die Dur-Klänge. Hunderte von Millionen flossen bis heute in einen grotesken „Kampf gegen Rechts“, bei dem auch normaler Patriotismus problematisiert wird, anstatt Orientierung suchende junge Menschen mit einem positiven National- und Geschichtsbewußtsein zu begeistern. Die Unsicherheit, mit der wir unsere letztendlich große Geschichte vertreten, ist für Deutsche und Fremde irritierend, sie verhindert Integration in unsere Nation und befördert stattdessen Desintegration und Staatsfeindlichkeit. 

JF 46/12

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