Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner hat dem Bundeskanzler widersprochen. „Berlin ist eine vielfältige, internationale und weltoffene Stadt. Das wird sich immer auch im Stadtbild abbilden“, sagte der Christdemokrat dem Tagesspiegel während einer Dienstreise in Namibias Hauptstadt Windhoek. Probleme mit Gewalt, Müll oder Kriminalität gebe es zwar, diese ließen sich aber „nicht an der Nationalität festmachen“. Gleichzeitig räumte er ein, die Integrationsfähigkeit der deutschen Hauptstadt stoße an Grenzen.
Ausgangspunkt seiner Einlassung war eine Äußerung Friedrich Merz’ während einer Pressekonferenz in Potsdam. Dort hatte der Kanzler erklärt: „Wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem.“ Er bezog sich auf die Folgen der Migrationspolitik und darauf, daß seine Regierung nun „in sehr großem Umfang auch Rückführungen“ ermögliche. Die Bemerkung löste umgehend Widerspruch aus. Grüne und Sozialdemokraten verlangten eine Entschuldigung. Wegners sozialdemokratischer Herausforderer Steffen Krach wies Merz‘ Äußerungen zurück, der Kanzler „zeichne ein Zerrbild“. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge fragte im Bundestag, wie man das Problem „außer an der Hautfarbe der Menschen“ erkennen wolle.
Auch der ARD-Hauptstadt-Korrespondent Gabor Halasz meldete sich zu Wort. Auf X schrieb er: „Der Bundeskanzler sollte erklären, wie er das meint.“ Regierungssprecher Stefan Kornelius bemühte sich am nächsten Tag um Entschärfung (JF berichtete). „Ich glaube, da interpretieren Sie zu viel hinein“, sagte er.
Wegner baut einen Zaun für das Stadtbild
Vielleicht muß Merz aber gar nichts erklären. Vielleicht liest er einfach Zeitung. Erst im Sommer berichtete der linksliberale Tagesspiegel über eine Unterkunft für Zigeuner-Familien im Berliner Stadtteil Schöneberg: Fast täglich komme es dort zu Lärmbelästigungen, nachts führten Autos mit ausländischen Kennzeichen Rennen, überall liege Müll, Passanten würden angepöbelt. Hinzu kommen die bekannten Ausschreitungen zu Silvester und die Übergriffe in Schwimmbädern – die Tatverdächtigen gehören nicht selten zur Gruppe migrantisch gelesener Personen.
Ähnliche Beschreibungen finden sich auch in anderen Städten. Zur Kommunalwahl von Nordrhein-Westfalen rückte die bundesdeutsche Presse aus. Die Zeit zeichnete in einem Bericht über Dortmund ein Bild aus Crackrauch, Müll und Armut: Zigeuner-Frauen mit Kinderwagen, Obdachlose, die über Kokain schimpfen, und Hinterhöfe voller Unrat. Der Spiegel schilderte die Lage in Hagen: mehr Schimmel, mehr Müll, mehr Ratten – Wohnungen ohne warmes Wasser, Häuser im Zustand des Verfalls. Probleme mit Armutszuwanderung aus Osteuropa. Das Bundespresseamt selbst gibt an, solche Berichte täglich auszuwerten und die wichtigsten direkt an den Kanzler weiterzuleiten.
Vielleicht muß Merz seine Wahrnehmung aber gar nicht in der Zeitung lesen. In Berlin wird sie derzeit eingezäunt. Im Görlitzer Park läßt Kai Wegners Senat eine nächtliche Absperrung errichten, um die offene Drogenszene einzudämmen. Schon jetzt patrouillieren Bauarbeiter unter Polizeischutz, während nebenan weiter gedealt und konsumiert wird. Dort war die JUNGE FREIHEIT im Sommer unterwegs. Anwohner beschrieben die Szene als Treffpunkt überwiegend afrikanischstämmiger Drogenhändler. Menschen also, die – folgt man der Logik des Kanzlers – rückgeführt werden könnten. Vielleicht würde das Stadtbild dann tatsächlich klarer wirken.