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13,90 Euro ab 2026: Warum die Mindestlohndebatte scheinheilig ist

13,90 Euro ab 2026: Warum die Mindestlohndebatte scheinheilig ist

13,90 Euro ab 2026: Warum die Mindestlohndebatte scheinheilig ist

SPD-Mitglieder beim Bundesparteitag im Januar: Der 15-Euro-Mindestlohn pro Stunde kommt vorerst nicht. (Themenbild/Collage)
SPD-Mitglieder beim Bundesparteitag im Januar: Der 15-Euro-Mindestlohn pro Stunde kommt vorerst nicht. (Themenbild/Collage)
SPD-Mitglieder beim Bundesparteitag im Januar: Der 15-Euro-Mindestlohn pro Stunde kommt vorerst nicht. Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur
13,90 Euro ab 2026
 

Warum die Mindestlohndebatte scheinheilig ist

Ob 14, 15 oder 100 Euro je Stunde: Egal, wie hoch die Mindestlohnerhöhung am Ende ausfällt, das wahre Problem ist eine andere heilige Kuh der Politik. Ein Kommentar von Reiner Osbild.
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Statt eines Mindestlohnes von 15 Euro je Stunde, wie im SPD-Wahlprogramm und im Koalitionsvertrag versprochen, kommt es zu Jahresbeginn 2026 nur zu einer Erhöhung von derzeit 12,82 auf 13,90 Euro – also 108 Cent zu wenig. Immerhin hat die Mindestlohnkommission eine weitere Erhöhung auf 14,60 Euro für 2027 vorgeschlagen. Beides zusammen ergibt perspektivisch eine Erhöhung um 13,9 Prozent, was deutlich über den Tariflohnzuwächsen der kommenden 18 Monate liegen dürfte. Seit seiner Einführung im Jahr 2015 in Höhe von 8,50 Euro klettert damit der Mindestlohn um 72 Prozent. 

Zwar konzediert das Ifo-Institut, daß die bisherige Mindestlohnanhebung aufgrund der Arbeitskräfteknappheit nicht zum befürchteten Jobabbau geführt habe. Doch dies müsse in der gegenwärtigen fragilen Lage nicht so bleiben. Dazu passe eine Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die ergab, daß schon bei einer Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro etwa die Hälfte der Betriebe in Deutschland betroffen wäre. Ein Drittel davon erwarte negative Beschäftigungseffekte. Weniger Industrie bedeutet auch weniger Nachfrage nach Dienstleistungen etwa von Speditionen, die somit gleich von zwei Seiten in die Zange genommen werden: weniger Erlöse und höhere Kosten.

Zudem gibt es sensible Bereiche wie die Landwirtschaft: Wird der Erntehelfer zu teuer, dann werden Spargel und Erdbeeren zu teuer und dann vermehrt importiert. Branchen, die dem internationalen Wettbewerb nicht ausgesetzt sind wie das Taxigewerbe, werden den Lohndruck über erhöhte Preise an die Fahrgäste weitergeben. Denn es ist in vielen Sektoren nicht damit zu rechnen, daß die Arbeitskosten durch eine erhöhte Arbeitsproduktivität aufgefangen werden können. Wie soll das auch gehen, da doch die Produktivitätsentwicklung in der deutschen Wirtschaft insgesamt stagniert.

Bürgergeldreform wäre sinnvoller als höherer Mindestlohn

Selbst wenn die Beschäftigungseffekte erneut gering bleiben, so ist dennoch die Frage zu stellen, ob die Mindestlohnanhebung eine Verbesserung für die Zielgruppe darstellt. Bei vielen Empfängern dürften nach Ifo-Einschätzung bisherige Sozialleistungen wie das Wohngeld wegfallen. Zudem sorgen die Steuerprogression – die aktuelle Splittingtabelle unterstellt – und höhere Sozialleistungen dafür, daß der Nettomindestlohn von zur Zeit knapp zehn Euro auf gerade einmal 11,08 Euro im Jahr 2027 steigen wird. Beide Werte liegen weit unter den auf Stundenbasis umgerechneten Bürgergeldansprüchen. Insgesamt gibt es laut Bundesagentur für Arbeit derzeit etwa 4,9 Millionen erwerbsfähige Leistungsempfänger; ob diese nunmehr zur Arbeitssuche und -aufnahme motiviert werden können, bleibt dahingestellt.

Auch wird die Mindestlohnzielgruppe nur unscharf anvisiert. Im Hinterkopf der Politiker scheint ein traditionelles Familienbild vorzuherrschen, mit einem Alleinverdiener, der die ganze Familie durchbringen muß. Tatsächlich sind oft beide Partner berufstätig; vielfach sind keine Kinder zu versorgen. Es würden beispielsweise auch die kellnernden Partner eines Anwalts oder einer Beamtin im gehobenen Dienst durch den Mindestlohn „geschützt“. Sollte dieser nur deshalb steigen müssen, um mehr Abstand zu den Sozialleistungen herzustellen, so wäre es zielgenauer, die Reform des Bürgergeldes anzupacken, statt Betriebe zu belasten. Mal abwarten, ob sich dieses Vorhaben ebenfalls als Versprecher entpuppt.

Aus der JF-Ausgabe 28/25.

SPD-Mitglieder beim Bundesparteitag im Januar: Der 15-Euro-Mindestlohn pro Stunde kommt vorerst nicht. Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur
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