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Streit um Traditionserlaß: Die Bundeswehr und ihre Ursprünge – Eine irritierte Armee

Streit um Traditionserlaß: Die Bundeswehr und ihre Ursprünge – Eine irritierte Armee

Streit um Traditionserlaß: Die Bundeswehr und ihre Ursprünge – Eine irritierte Armee

Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Ulrich de Maiziere (M), bei der Übergabe der einzelnen Fahnen: Die Armee ringt mit ihrer historischen Identität.
Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Ulrich de Maiziere (M), bei der Übergabe der einzelnen Fahnen: Die Armee ringt mit ihrer historischen Identität.
Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Ulrich de Maizière (M), bei der Übergabe der wieder eingeführten Truppenfahnen. Am 24. April 1965 wurden in einer feierlichen Zeremonie im Preussenstadion in Münster die neuen Fahnen an Abordnungen aller bisher aufgestellten 319 Bataillone des Heeres übergeben – in Anwesenheit der Spitzen der Bundeswehr und des Generalfeldmarschalls Erich v. Manstein als Repräsentanten der Wehrmachtsgeneralität. | Foto: picture-alliance / dpa | ucklau
Streit um Traditionserlaß
 

Die Bundeswehr und ihre Ursprünge – Eine irritierte Armee

Die Bundeswehr zieht ein Papier zum Traditionserlaß zurück. Darin stand, daß die aktuelle deutsche Armee von Wehrmachtsveteranen einst getragen wurde. Der Vorgang zeigt, wie weit der Weg zu einem unverkrampften Verhältnis zur militärischen Tradition noch ist. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Nach einem ersten Anflug leiser öffentlicher Kritik zog die Bundeswehr ein Papier zum Traditionserlaß blitzartig wieder zurück. Kai Rohrschneider, Generalleutnant und Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte im Verteidigungsministerium, hatte Thesen geäußert, die von der JUNGEN FREIHEIT auf die Formel „Mehr Wehrmacht wagen“ gebracht worden waren.

Ernst Hartmann, Fliegerass und Kommandeur des Jagdgeschwaders 71 im Jahr 1961
352 Luftsiege: Fliegerass Erich Hartmann, Kommandeur des „Geschwaders Richthofen“ im Jahr 1961 mit dem von ihm entworfenen Geschwader-Abzeichen. | Foto: picture-alliance/ dpa | Gerd Herold

Tatsächlich machte Rohrschneider plausibel, daß die Bundeswehr Tradition und vorbildliche Leistungen im Krieg nicht aus sich selbst aufrufen kann. Er erinnerte daran, daß die Bundeswehr von 40.000 Soldaten und Offizieren aufgebaut worden ist, die zuvor in der Wehrmacht gekämpft hatten. Rohrschneider nennt neben anderen das Flieger-Ass Oberst Erich Hartmann, mit 352 Luftsiegen erfolgreichster Jagdflieger aller Zeiten, in der Bundeswehr Kommodore eines Jagdgeschwaders.

Für militärische Traditionspflege gilt analog zum Verfassungsrecht das „Böckenförde-Diktum“: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Auch die Bundeswehr ist vor bald 70 Jahren nicht „einfach so“ entstanden. Ihr Aufbau wäre ohne die Erfahrungen – auch die negativen – ehemaliger Wehrmachtsangehöriger unmöglich gewesen. Viele von ihnen hatten als Soldaten und Offiziere Hervorragendes geleistet. Das anzuerkennen bedeutet im Umkehrschluß keine unkritische Heldenverehrung.

Vom ersten Tag der Bundeswehr an war die Frage von Tradition, Symbolen und Zeremoniell ein umstrittenes Feld. Während die „antifaschistische“ NVA übrigens wesentlich unbefangener (Wehrmachts-Stahlhelm, Uniform, Stechschritt) optisch und vom Auftreten an die Wehrmacht anknüpfte, machte die Bundeswehr den Bruch zur Armee des Dritten Reiches sichtbarer.

In den Streitkräften verdichten sich die Identitätsprobleme der Republik

Blick auf die Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf (Kreis Lippe) am 18.3.1997. Die Kaserne liegt etwa 15 Kilometer von der Detmolder Innenstadt entfernt, wo zehn angetrunkene Augustdorfer Bundeswehrsoldaten am 17.3.1997 drei Ausländer - zwei 16 und 17 Jahre alte Türken und einen 16jährigen Italiener - zusammengeschlagen haben. Die Armee diskutiert über ihre historische Identität.[dpabilderarchiv]
Die 1961 nach Generalfeldmarschall Erwin Rommel benannte Bundeswehr-Kaserne in Augustdorf (Kreis Lippe). Der als „Wüstenfuchs“ auch bei den Armeen ehemaliger Kriegsgegner hochverehrte Wehrmachts-General mit Verbindungen zum Widerstand, wählte am 14. Oktober 1944 den Freitod. | Foto: picture-alliance / dpa | Ralf Schlöffel
Wie in einem Brennglas verdichten sich in den Streitkräften die Identitätsprobleme der Bundesrepublik. Und zwar gerade weil die Waffenträger im Kern der demonstrierte Wille sind, eine Nation zu sein und zu bleiben. Die Bundesrepublik ist eben nicht in einer „Stunde Null“ vom Himmel gefallen, sondern steht trotz der Katastrophe des NS-Staates in Traditionen, die über sie hinausweisen.

Das Eiserne Kreuz war vom preußischen König 1813 während der Befreiungskriege als Tapferkeitsorden gestiftet worden. Es ist später Hoheitszeichen aller folgenden deutschen Armeen bis heute gewesen – einschließlich der Bundeswehr.

Bei den Armeen ehemaliger Kriegsgegner gilt – bei Verachtung des Hitler-Regimes – Taktik und Tapferkeit der Wehrmachtssoldaten als Beispiel. Zu Aussöhnung mit uns selbst und der wiedergewonnenen Selbstverständlichkeit, eine Nation zu sein, gehört ein weniger verkrampfteres Verhältnis zu militärischer Tradition. Hier liegt offensichtlich noch ein längerer Weg vor uns.

JF 35/24

Beisetzung
Eine Ehrenformation der Bundeswehr begleitet den Sarg von Generalfeldmarschall Erich von Manstein am 15.6.1973. Eine große Trauergemeinde gab in Dorfmark (Lüneberger Heide) dem 85jährigen das letzte Geleit | Foto: picture-alliance / dpa | Wolfgang Weihs
Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Ulrich de Maizière (M), bei der Übergabe der wieder eingeführten Truppenfahnen. Am 24. April 1965 wurden in einer feierlichen Zeremonie im Preussenstadion in Münster die neuen Fahnen an Abordnungen aller bisher aufgestellten 319 Bataillone des Heeres übergeben – in Anwesenheit der Spitzen der Bundeswehr und des Generalfeldmarschalls Erich v. Manstein als Repräsentanten der Wehrmachtsgeneralität. | Foto: picture-alliance / dpa | ucklau
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