Parlamentarische Arbeit ist nicht die Sache der Sahra Wagenknecht. Im Bundestag erscheint sie höchst selten. Meistens kommt sie, wenn sie das Plenum für die dort üblichen Schaufensterreden nutzen kann. Und das macht die 55jährige durchaus gut. Mit geschickter, kritischer, aber nicht übertrieben aggressiver Rhetorik hat sie es zur Galionsfigur des politisch inkorrekten Spektrums geschafft – und zwar weit über das Potential der Linkspartei hinaus.
Diese Popularität bildete den Grundstein für ihre Parteigründung. Die dem Stalinismus entstammende Frau, die schon 1991 dem SED-PDS-Vorstand angehörte, sich jahrzehntelang als Wiedergängerin Rosa Luxemburgs inszenierte, übernimmt auch den diesem Milieu eigenen Personenkult. Eine Partei nach sich selbst zu benennen – das zeugt von nicht gerade geringem Selbstbewußtsein und ist vor allem Ausdruck ihrer politischen Vita.
Kaderpartei ohne Basis
Das BSW ist eine streng geführte Gruppierung, in der ohne Wagenknecht gar nichts geht. Ob es sich um eine „Führerpartei“ oder eine „Sekte“ handelt, wie manche ätzen, sei dahingestellt. Fest steht, ohne ihre ausdrückliche Zustimmung kann man nicht einmal Mitglied dieser „Partei neuen Typs“ werden, wie sie Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt gegenüber der JF bezeichnet. Bis auf die Kandidaten, die jetzt bei den Landtagswahlen antreten, besteht das Bündnis Sahra Wagenknecht praktisch aus keinerlei Basis. „Kaderpartei“ mit dem von der SED überführten demokratischen Zentralismus – von oben nach unten durchgesetzt – trifft es wohl am besten.
Und so ist die Entscheidung des von der Altkommunistin und bekennenden Antifaschistin Katja Wolf geführten Thüringer Landesverbandes, eine Brandmauer zur AfD zu errichten, ohne den ausdrücklichen Befehl Wagenknechts nicht denkbar. In Sachsen ist ein solcher Beschluß nicht nötig, weil es dort auch ohne AfD zu Mehrheiten der CDU mit dem BSW und der SPD reicht.
Vor der Brandenburg-Wahl kann die Weigerung, auf keiner Ebene mit den Blauen zu kooperieren, im Protestwähler-Milieu durchaus hinderlich sein. Daß der dortige BSW-Spitzenkandidat nun sogar ein AfD-Verbot ins Spiel bringt, dürfte auch den Segen der großen Vorsitzenden haben. Doch viele Menschen geben der gegen den Strich Bürstenden, die nirgendwo kandidiert, aber fast ausschließlich plakatiert wird, ihre Stimme, weil sie sich einen grundsätzlichen Wandel erhoffen. Ob der mit CDU, SPD, Linkspartei und Grünen zu haben ist? Daran dürften wohl doch etliche Wähler zweifeln. Sie wollen eine Wagenknecht und keine Steigbügelhalterin.
Wagenknecht ist leninistisch geschult
Und daher nutzte die leninistisch geschulte Politikerin das nachrichtenarme Wochenende für die Grundtugend der Bolschewisten: das Sich-Verstellen. Sie forderte, mit der AfD „fair umzugehen“. Wenn es der „einzige gemeinsame Nenner der etablierten Politik“ sei, „die AfD rauszuhalten und auf sie einzuprügeln, wird die AfD noch stärker“, heuchelte die 55jährige.
Daß sie genauso verfährt, verschwieg sie – ohne jede Scham. Ausschließlich als personifizierter Gegensatz zur „etablierten Politik“ sieht sie ihre Chance und hat recht damit. Nur so und vor dem Hintergrund ihrer betonsozialistischen Prägung – Wagenknecht trat noch im Frühsommer 1989, als sich das Volk gegen die Diktatur erhob, in die SED ein – ist ihre AfD-Aussage zu verstehen und als Wählertäuschung einzuordnen. Denn wenn es, wie in Thüringen, zum Schwur kommt, zeigt sie sich als Fortsetzung des etablierten Parteiensystems mit eben nicht anderen, sondern denselben Mitteln.
Linkskonservativ oder Linkspartei 2.0?
Politik gestalten will sie aus ihrem saarländischen Homeoffice – von nicht wenigen „Politbüro“ genannt –, nicht aus den Parlamenten. Die Abgeordneten, die die Kärrnerarbeit erledigen, sieht sie als ihre Werkzeuge. Durch die Talkshows zu tingeln und von zuhause aus mit ihrem Ehemann Oskar Lafontaine, einem ideologischen Alt-Westlinken, die Fäden zu ziehen – das ist ihr Ding.
Daß ihr Journalisten das Label „linkskonservativ“ aufdrücken und Friedrich Merz sie als sowohl links- wie auch rechtsextrem bezeichnete, spielt ihr in die Karten. Denn damit kann sie sich als etwas Neues präsentieren, das es bisher nicht gab. Tatsächlich, das zeigt auch der Blick auf ihre Landtagskandidaten, ist das BSW nichts anderes als eine Linkspartei 2.0, die den Anschluß an die sich ihr mit Sieben-Meilenstiefeln nähernde „etablierte Politik“ sucht.