Am Mittwoch hat das Landgericht Bonn einen ehemaligen Banker der Privatbank MM Warburg wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der ehemalige Risikoanalyst war in den Jahren 2009 und 2010 an Cum-Ex-Geschäften beteiligt, die zu einem Steuerschaden von rund 150 Millionen Euro geführt haben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Juli 2021 die Cum-EX-Geschäfte als „strafbare Steuerhinterziehung“ bewertet. Der Staat und damit der Steuerzahler wurden also brühwarm beklaut. Der Schaden soll sich auf dutzende Milliarden Euro summieren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen rund 1.000 Beteiligte. Die juristische Aufarbeitung steht erst am Anfang.
Eine rechtliche Lücke hat es ermöglicht, mittels verwirrenden Zwischenverkäufen von Aktien, Milliarden an Steuergeldern abzuschöpfen. So funktionierte es: Börsennotierte Unternehmen schütten eine Dividende an die Aktionäre aus. Wer am Vortag dieses Stichtages Aktieneigner ist, erhält die Dividendenauszahlung. Diese muß selbstverständlich versteuert werden. Für die Kapitalertragsteuer bekommt der Aktionär eine Bescheinigung von seiner Depotbank. Hat der Aktienhalter Verluste gemacht, kann er diese mit den steuerlichen Abzügen verrechnen. So weit, so legal.
Bei der Cum-Ex-Affäre wurde aber der Staat hinter das Licht geführt, indem vor dem Stichtag die Aktien mehrmals ihren Besitzer wechselten und das Finanzamt nicht mehr ohne weiteres nachvollziehen konnte, wer zum Stichtag der tatsächliche Aktienhalter war. Diese inszenierten Verkäufe führten also dazu, daß die Steuerbehörden nur einmal Steuern kassierten, aber mehrmals Steuererstattungsbescheide ausstellten.
Was wußte Scholz?
Bevor Olaf Scholz (SPD) unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Bundesfinanzminister wurde, war er bis März 2018 Erster Bürgermeister von Hamburg, dem Hauptsitz der Warburg Gruppe. 2016 hatten sich zwei Warburg-Banker mit Olaf Scholz getroffen, um Rückforderungen abzuwenden. Gegen einen der Banker, dem ehemaligen Warburg-Sprecher und Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Olearius, wurde da schon wegen Steuerstraftaten ermittelt. Vor dem Untersuchungsausschuß sagte Scholz im April 2021 aus, er könne sich nicht an den Inhalt des Gesprächs erinnern.
Brisant bleibt aber, daß Scholz damals den Warburg-Chef an den damaligen Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister, Peter Tschentscher (SPD), verwiesen hatte. Tschentscher leitete ein Schreiben mit einer Anmerkung versehen an die Finanzbehörde weiter, in dem die Warburg Bank um Aufhebung der Steuerrückforderung bat. Und tatsächlich: Acht Tage später verzichtete die Hamburger Finanzbehörde auf die Rückforderung in Höhe von 47 Millionen Euro. Scholz will auf diesen plötzlichen Steuernachlaß keinen Einfluß genommen haben.
Scholz räumt Treffen ein
Der Investigativ-Journalist Oliver Schröm, Autor des Buches „Die Cum-Ex-Files“, der acht Jahre an der Aufdeckung der Cum-Ex-Affäre mitgearbeitet hat, erhebt nun schwere Vorwürfe gegen den Bundeskanzler: „Wir haben einen Kanzler, der ein Lügner ist“.
Als Olaf Scholz im Finanzausschuß des Bundestages in verschiedenen Sitzungen zu den Warburg-Treffen befragt wurde, verneinte er diese. Doch als dann durch die Tagebuchaufzeichnungen von Olearius, in dem alle Termine des Bankers aufgeführt sind, ans Licht kam, daß es zwei vertrauliche Treffen mit Scholz im Hamburger Rathaus gab, räumte der jetzige Bundeskanzler diese ein. Doch an die Inhalte der Gespräche könne er sich nicht mehr erinnern, beharrt Scholz.
Ein Kanzler, der nach der Salamitaktik, immer nur scheibchenweise mit der Wahrheit herausrückt, ist nicht tragbar! Das Amt duldet keine Zweifel. Die Akte Scholz wird wohl nicht so schnell vom Tisch der Ermittlungen verschwinden. Bleibt dem Bundeskanzler nur zu wünschen, daß seine Gedächtnisschwäche ihn nicht beim Regieren behindert.