Das hatte sich Daniel Günther anders vorgestellt: Unbedingt hatte der CDU-Linksausleger aus dem Norden nach dem Wahlsieg in Schleswig-Holstein vor bald zwei Wochen seine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP weiterführen wollen, und das, obwohl es auch dicke mit einem Partner reichen würde. Am Donnerstag dann haben vor allem die Grünen dem Vorhaben endgültig eine Absage erteilt.
Für Günther bedeutet das: Zum absolut regierenden Landesvater reicht es (noch) nicht. Diese Position hatte sich der der 48jährige wohl erhofft. Denn das Dreierbündnis hätte mehr als drei Viertel aller Landtagssitze gestellt. Die Opposition aus SPD und SSW wäre so auf ein allenfalls etwas lästiges, aber ansonsten zu ignorierendes Anhängsel reduziert worden.
Alle umarmen, bis sie ersticken
Mit Jamaika hätte Günther zudem sowohl die Opposition „von rechts“ erledigt, als auch die von links gespalten. Wenn FDP und Grüne sich über die richtige Klimapolitik streiten, hätte er dazwischen stehen und als „Mann der Mitte“ den Ausweg weisen können – natürlich „progressiv“ und nach vorne gerichtet, wie sich die „moderne“ CDU selbst sieht.
Alle umarmen, bis sie ersticken: Es ist die Methode Merkel, die mit dem Parteivorsitz von Friedrich Merz keineswegs untergegangen ist. Im Gegenteil: Deren Anhänger machen sich mit Günthers Wahlsieg Hoffnungen auf eine baldige Renaissance auch im Bund. Kein „neuer Stil“ also, wie Günther mit Blick auf die bisherige Jamaika-Koalition gerne erzählte, sondern ein ganz alter.
Wählt er Grüne oder FDP?
Daß Günther sich nun für einen der Partner entscheiden muß, dürfte er als sehr unangenehm empfinden. Wählt er die FDP, würde er einen bürgerlichen Block gegen die linke Opposition stellen. Das wäre ein eher konfrontativer Ansatz, der Günther innerlich widerstrebt, hält er doch eine erkennbare inhaltliche Abgrenzung – ganz wie Merkel – für eine Sache von gestern.
Entscheidet er sich deswegen also für die Grünen und schaltet so immerhin die größte Opposition im Bundesland aus, entstünde allerdings ein anderes Problem: Bei der nächsten Wahl müßte Günther befürchten, einen nicht unerheblichen Teil bürgerlicher Wähler an die Liberalen zu verlieren.
Bloß nicht anecken
Der überragende Wahlsieg, so das Paradoxon, ist für die Christdemokraten an der Förde damit nach hinten losgegangen. Die Zeiten, in denen man sich über Mehrheiten im eigenen Lager gefreut hätte, sind längst vorüber: die logische Konsequenz eines Parteiensystems der Beliebigkeit, in dem jeder mit jedem kann.
Insofern kann Günther froh sein, daß ihm, wie Angela Merkel 2013, wenigstens die absolute Mehrheit erspart geblieben ist. Eigene Politik mit eigenen Überzeugungen machen zu müssen, anzuecken, zum Preis von massivem Gegenwind: Das wäre für einen Christdemokraten vom Schlage Günthers im Jahr 2022 wohl der Super-GAU gewesen.