Die politisch korrekte Twitter-Blase ist mal wieder heftig am blubbern. Zum blubbern gebracht hat sie eine Einlage des Mannheimer Sangesbarden Xavier Naidoo. Ein in dem sozialen Netzwerk aufgetauchtes Video zeigt den Musiker, wie er ein neues, bislang unbekanntes Lied intoniert. Das alleine ist natürlich nichts Ungewöhnliches und würde – abseits von Geschmacksfragen – wohl keine größere Aufregung auslösen.
Bei Recherche zu https://t.co/Ud8TbtleEw auf Video gestoßen, in dem #Naidoo an Adresse von Menschen mit “Wir sind mehr"-Plakaten singt: “Doch in Wahrheit seid Ihr einfach nur peinlich und deutschlandfeindlich, denn Ihr seid leer.” pic.twitter.com/Y6Jflj7wBb
— Lars Wienand (@LarsWienand) March 11, 2020
In diesem Fall ist es aber die Botschaft des Songs, die die linksgrüne Online-Gemeinde vor Wut schäumen läßt. Diese ist allem Anschein nach nämlich migrationskritischer Natur und hat es durchaus in sich. Wörtlich singt Naidoo in dem 45 Sekunden langen Clip: „Ihr seid verloren. Ihr macht nicht mal den Mund für euch auf. So nehmen Tragödien ihren Lauf. Eure Töchter, eure Kinder sollen leiden, sollen sich mit Wölfen in der Sporthalle umkleiden.
Vorwurf: „Haß auf Flüchtlinge“
Und ihr steht seelenruhig nebendran, schaut euch das Schauspiel an, das keiner beenden kann. Weit und breit ist hier kein Mann, der dieses Land noch retten kann. Hauptsache, es ist politisch korrekt, auch wenn ihr daran verreckt. Und nochmal: Ich hab’ fast alle Menschen lieb. Aber was, wenn fast jeden Tag ein Mord geschieht, bei dem der Gast dem Gastgeber ein Leben stiehlt. Dann muß ich harte Worte wählen, denn keiner darf meine Leute quälen. Wenn doch, der kriegt’s mit mir zu tun. Laß uns das beenden, und zwar nun. Ihr seid verloren.“
So viel Empathie eines deutschen Popstars für deutsche Opfer stößt in Deutschland natürlich auf Unverständnis und erbitterte Gegenrede. Obgleich Herkunft und Echtheit des Bildmaterials zu diesem Zeitpunkt noch völlig ungeklärt waren, genauso wie der etwaige Kontext des Ausschnitts, brach bereits ein Shitstorm der Alarmstufe Rot aus. Nur wenige Stunden nach dem Auftauchen des nach einer Privataufnahme aussehenden Videos, stand die gesamte Anti-Rechts-Front bereits geschlossen und sehr breit aufgestellt gegen den dunkelhäutigen Sohn Mannheims und dessen „Nazi-Sprache“.
Lieber Xavier #Naidoo, mit Hass, Hetze und alternativen Fakten hat noch niemand eine Gesellschaft besser gemacht. Sie auch nicht.
— ProSieben (@ProSieben) March 11, 2020
Von der linksextremen Tagesschau-Quelle „Antifa Zeckenbiß“, die Naidoo in einem mit Wut-Smiley versehenen Tweet vorwarf, „Haß auf Flüchtlinge“ zu schüren, über die dauerbeleidigte linksfeministische Podcasterin Sibel Schick, die gleich mit einem eigenen Gesangsvideo antwortete, bis hin zum Privatsender ProSieben, der dem „Lieben Xavier Naidoo“ moralinsauer ins Gewissen redete und offenbar tatsächlich glaubt, dazu in der richtigen Position zu sein.
Meine Antwort auf #Naidoo pic.twitter.com/xtAlz8evjs
— sibel schick (@sibelschick) March 11, 2020
ARD-Journalist Georg Restle entblödete sich nicht, eine geistige Brücke zwischen den gesungenen Zeilen Naidoos und den Morden von „Hanau, Halle, Kassel!“ zu schlagen und wurde damit endgültig zur linken Reinkarnation all der alten, grauen, konservativen Lehrer, Politiker und Medienmacher der Jahrtausendwende, die die Schuld für die ersten großen Amokläufe an Schulen einst bei Musikern wie Eminem oder Marilyn Manson suchten.
Keine Bühne für Rassisten und geistige Brandstifter. Erst recht nicht nach Hanau, Halle, Kassel! @RTLde #Naidoo
— Georg Restle (@georgrestle) March 11, 2020
RTL distanziert sich
Jeder, der einigermaßen progressiv gesinnt war, fand das damals mega peinlich. Vermutlich auch Georg Restle, sofern er tatsächlich einmal irgendwie cool gewesen sein sollte. Heute jedenfalls gehört Restle zur ständig empörten Medien-Elite und ist deshalb gegenüber rebellischen Künstlern allenfalls sehr einseitig tolerant.
Über die Rapper von KIZ, die sich bei einem Auftritt jüngst darüber freuten, daß am Corona-Virus angeblich „nur alte weiße Männer“ sterben, erregte sich der ARD-Mann jedenfalls nicht sonderlich laut. Auch damals nicht, als die HipHop-Combo beim „Wir sind die Guten“-Konzert unter dem Hashtag „Wir sind mehr“ in Chemnitz rappte: „Ich ramm die Messerklinge in die Journalisten-Fresse“. Die Medien waren damals fast durchweg begeistert ob des positiven „Zeichens gegen den Haß“.
Aber gerade sehr einseitiger Empörungsdruck wirkt natürlich. Inzwischen auch beim derzeitigen Arbeitgeber des Künstlers. RTL, für dessen Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ der Soulsänger derzeit in der Jury sitzt, erklärte auf Pressenachfragen, man sei „irritiert von dem aufgetauchten Video. Wir erwarten klare Antworten von Xavier“ .Und natürlich betonte RTL, daß der Sender sich von jeglicher Form von Rassismus distanziere.
Naidoo bekannt für klare, harte Sprache
Inzwischen gibt es eine offizielle Stellungnahme von Xavier Naidoo und seinem Team. Auf der Facebookseite des Stars werden die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und die falsche Interpretationen seiner Aussagen entschieden zurückgewiesen. Rassenhaß und Fremdenfeindlichkeit, so heißt es in dem Post, seien Naidoo „völlig fremd, auch wenn er sich zuweilen emotional künstlerisch äußert“. Er betont außerdem, daß das Video bereits aus dem Jahr 2018 stamme.
„Ich setze mich seit Jahren aus tiefster Überzeugung gegen Ausgrenzung und Rassenhaß ein. Liebe und Respekt sind der einzige Weg für ein gesellschaftliches Miteinander. Das bedeutet für mich aber auch, daß alle in der Verantwortung sind, wachsam gegenüber Angriffen auf ein friedliches Miteinander aller Menschen zu sein, egal aus welcher politischen Richtung und ungeachtet der Herkunft“, läßt sich Naidoo zitieren.
Dies klingt durchaus glaubhaft und konsequent. Vor allem, wenn man Naidoos künstlerisches Schaffen schon länger verfolgt. Tatsächlich wählte der Sänger schon immer eine klare, oft harte Sprache gegen all jene, die er als Bedrohung empfand. Auch musikalisch. Bereits 2001 veröffentliche er gemeinsam mit etlichen anderen Künstlern den Song „Adriano (Letzte Warnung)“. Ein ziemlich martialisches, politisches Lied, das von nicht von wenigen als unverblümter Aufruf zur Gewalt gegen Rechts empfunden wurde. Anlaß war damals der Tod des Afrikaners Alberto Adriano, der von einer Gruppe Rechtsextremisten so schwer zusammengeschlagen wurde, daß er kurz darauf seinen Verletzungen erlag und starb.
Schon damals solidarisierte sich Xavier Naidoo mit den Opfern der um sich greifenden Gewalt. Anders als heute, wo selbst Musiker-Kollegen wie der „Fanta Vier“-Rapper Smudo ein TV-Verbot für ihn fordern, bekam Naidoo damals für diese musikalische Solidarität viel Zuspruch. Noch immer gilt der Song vielen als wichtiger Klassiker. Wo ist nun der Unterschied zwischen dem jetzigen Lied und dem Musikstück von einst, fragt man sich angesichts der so unterschiedlichen Reaktionen von oftmals den selben Leuten, und kennt die Antwort doch schon ganz genau.