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Selbstzerstörung der CDU: Mit dem Zeitgeist vermählt

Selbstzerstörung der CDU: Mit dem Zeitgeist vermählt

Selbstzerstörung der CDU: Mit dem Zeitgeist vermählt

Bundestag
Bundestag
Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Plausch im Bundestag mit Grünen-Chefin Annalena Baerbock Foto: picture alliance/Kay Nietfeld/dpa
Selbstzerstörung der CDU
 

Mit dem Zeitgeist vermählt

Im Umgang mit der AfD rechtfertigt derzeit der gute Zweck alle Mittel. Die Deutungshoheit der Linken wird mittlerweile auch von der CDU nicht mehr in Frage gestellt. Die Partei von Konrad Adenauer beschränkt sich darauf, die vom linksgrün dominierten Medienklima geformten Mehrheitswünsche zu erfüllen. Ein Kommentar von Werner J. Patzelt.
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Die Geschichte der politischen Linken zeigt auch in Deutschland: Evolution ist erfolgreicher als Revolution! Die SPD als nicht-revolutionärer Teil der Arbeiterbewegung setzte seit dem Kaiserreich auf Parlamentarismus und Demokratie, prägte auch deshalb Deutschland zutiefst und wurde zum Rollenvorbild der Merkel-CDU. Hingegen setzten die Kommunisten auf Revolution, bauten mit sowjetischer Hilfe einen Modellstaat auf und hatten nach wenigen Jahrzehnten abgewirtschaftet.

Im Westen ging der revolutionäre Teil der Achtundsechziger in die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) und in deren Sympathisantenfeld, scheiterte mit seiner verbrecherischen Strategie und löste sich auf. Der evolutionäre Teil machte sich auf den „Marsch durch die Institutionen“, gründete die – nach heftigen Kämpfen – von ihrer Realo-Fraktion dominierten, derzeit gern gelobten Grünen und besetzt mit seinen Netzwerken die meisten Kommandohöhen im Medien- und Kultursystem, in den Sozial- und Geisteswissenschaften sowie in staatlich finanzierten zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Einreihen in die Einheitsfront

Denn über Staatsgeld zur Förderung ihrer Absichten und Anhänger verfügt die Sympathiegemeinschaft aus Grünen, SPD und Linken reichlich, seit die CDU – durch das Aufkommen der AfD massiv geschwächt – zum weithin willigen Partner von Grünen, Sozialdemokraten und nötigenfalls der Linken geworden ist. Also hat die CDU, auch unter entsprechendem starken Mediendruck, nach den Melodien ihrer Rivalen zu tanzen. Das betrifft nicht nur die Ausrichtung von Bildungs- und Demokratiepolitik an den Vorstellungen von Links-Grün.

Vielmehr müssen sich „Bündnisse gegen Rechts“ nun sogar gegen die eigenen Leute richten, seit die CDU – wie unlängst von einem Berliner SPD-Politiker – nicht mehr unter die zweifelsfrei für unsere demokratische Ordnung einstehenden Parteien gerechnet wird. Der Grund? Die – so etliche deutsche Rechtsextremismus-Forscher – „faschistische AfD“ habe jetzt als „Werte-Union“ einen Ableger in der CDU, den es wie ein „Krebsgeschwür“ rücksichtlos auszumerzen gelte.

Schon zur „rechten Mitte“ darf die CDU nicht mehr ausgreifen; das wäre nämlich ein unanständiges „Fischen am rechten Rand“. Und um als möglicher Koalitionspartner von Grünen und Sozialdemokraten überhaupt in Frage zu kommen, hat sich die CDU die Sympathie der Parteien links von ihr immer wieder neu durch artiges Verhalten zu erwerben. Zwingend dafür ist die Einreihung in eine Einheitsfront gegen die AfD, höchst wünschenswert die Absicherung der Wiederwahl eines Ministerpräsidenten der Linken.

Der Zeitgeist ist links

Um so leichter kann man die CDU zu alledem pressen, seit Angela Merkel es zum persönlich vorteilhaften Imperativ ihrer Politik gemacht hat, vom linksgrün dominierten Medienklima geformte Mehrheitswünsche zu erfüllen. Auch wenn diese oft eher Diskursmoden als realem Bedarf entsprangen.

Vor allem die Energiewende und die Migrationspolitik haben deshalb viele Bindungen der CDU an die einfachen, oft nicht-linken Leute im Land gelockert. Mit ihrer ganz vagen Rede von „der Mitte“ hat die CDU ferner auf die kundige Nutzung eines politischen Kompasses verzichtet. Inhalte wie „Nachhaltigkeit auf allen Politikfeldern“ (bis hin zur Familien- und Migrationspolitik), wie „gerechte Ordnung“ (bis hin zur Wahrung der auch sozialen Sicherheitsinteressen der kleinen Leute Deutschlands) oder wie „Patriotismus“ als Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch Pflege einer Rahmenkultur, die das gemeinsam Erreichte sichert, wurden gerade nicht zu einem neuen Programmkern der CDU zusammengedacht. Dabei füllte der die Rede von der „Mitte“ inhaltlich und paßte bestens zu den anstehenden Herausforderungen.

Lieber vermählte sich die CDU mit dem Zeitgeist. Der aber ist seit der Französischen Revolution links-oppositionell, falls er gegen bestehende Machtverhältnisse anweht, oder links-autoritär, wenn er sich mit realer Macht zu verbinden weiß. Heute aus eigener kultureller Hegemonie Gestaltungsmacht gewinnend, fordern genau die Nachfahren jener Linken, die „1968“ kritisch gegen das Gewährenlassen des Establishments revoltierten, eine affirmative Haltung zu den bestehenden Verhältnissen ein.

Alle Anständigen gegen die AfD

Eine systemkritische Haltung gilt hingegen als böswilliger Affront gegen alles, was nun endlich auf dem richtigen Entwicklungsweg zu halten ist – nämlich: von den Erben der Kultur(r)evolution seit 1968. Unter diesen Umständen wurde es auch in der Christlich Demokratischen Union politisch „sexy“, links oder grün zu sein.

Selbstverständlich geben Linke und Grüne eine solche Übermachtstellung nicht kampflos auf. Seit die AfD – auch durch eigene Lust auf Radikalität – als „Feind schlechthin“ von allem politisch Guten angreifbar wurde, und seit sie der CDU bis ins Existentielle hinein zusetzt, ist deshalb ein „demokratischer Block“ neuer Art entstanden: Alle Anständigen gegen die AfD!

Wer dabei auf der richtigen Seite steht, darf natürlich alles, was nicht ausdrücklich verboten ist: distanzieren, denunzieren, diffamieren, disziplinieren – letzteres auch gern unter zweckvoll-großzügiger Auslegung der Regeln des Arbeits-, Disziplinar- und Wahlrechts. Einschüchterung durch exemplarische Gewalt gegen Sachen hilft ebenfalls. Und so rechtfertigt derzeit der gute Zweck einmal mehr alle Mittel, falls sie nur „antifaschistisch“ eingesetzt werden.

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Prof. Dr. Werner J. Patzelt ist emeritierter Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaft an der TU Dresden.

JF 10/20

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Plausch im Bundestag mit Grünen-Chefin Annalena Baerbock Foto: picture alliance/Kay Nietfeld/dpa
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