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Innerlinke Kritikfähigkeit: Mit Creolen, Lederjacke und viel Schminke

Innerlinke Kritikfähigkeit: Mit Creolen, Lederjacke und viel Schminke

Innerlinke Kritikfähigkeit: Mit Creolen, Lederjacke und viel Schminke

Die Journalistin Cigdem Toprak macht sich unter Linken derzeit nicht beliebt (Archivbild) Foto: (c) dpa
Die Journalistin Cigdem Toprak macht sich unter Linken derzeit nicht beliebt (Archivbild) Foto: (c) dpa
Die Journalistin Cigdem Toprak macht sich unter Linken derzeit nicht beliebt (Archivbild) Foto: (c) dpa
Innerlinke Kritikfähigkeit
 

Mit Creolen, Lederjacke und viel Schminke

Die türkischstämmige Autorin Cigdem Toprak fühlt sich als Migrantin unter Linken nicht mehr richtig wohl. Sie wirft ihnen unter anderem vor, Feindbilder zu bedienen – ganz wie die Rechten. Droht etwa Applaus von der falschen Seite? Ein Kommentar von Boris T. Kaiser.
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In Zeiten der totalen Polarisierung ist das Schlimmste, das man sich selbst antun kann, gleichzeitig auch der größte Luxus, den man sich überhaupt zu erlauben vermag: die Differenziertheit. Wer differenziert, verscherzt es sich grundsätzlich immer erst einmal mit allen Seiten. Eine, die sich diesen schier masochistisch anmutenden Luxus immer wieder leistet, ist die türkischstämmige Autorin Cigdem Toprak.

Jüngst rechnete sie in einem Essay für den Tagesspiegel mit jenem politischen Milieu ab, dem sie sich selbst zugehörig fühlt, weshalb sie den Text eigentlich auch gar nicht als Abrechnung verstanden wissen will. Ihr Artikel „Ihr Linken seid genauso ausgrenzend wie die Rechten!“ prangert den Rassismus und die Ausgrenzung an, den sie als freigeistige Deutschtürkin dort erlebt, „wo man das am wenigsten erwartet“.

Daß sie mit „man“ vor allem sich selbst meint, und daß hinter diesem „man“ eine gewisse Naivität oder eine blinde Übernahme der Mainstream-Definitionen steht, sollte man ihr verzeihen. Die meisten ihrer Texte, insbesondere der im Tagesspiegel, haben diesen Makel eigentlich längst überwunden.

Daß sie, bevor sie das scharfe Skalpell der Kritik an dem ansetzt, was da innerhalb der Linken für viele offenbar immer noch im Verborgenen wuchert, den Patienten erst einmal mit Hinweisen auf ihre linke Familie beruhigt, kann einem dagegen schon ein wenig auf die Nerven gehen. Und angesichts ihrer Aussage: „Wenn ich mich zwischen rechts und links entscheiden müßte, dann wäre ich links“ darf man sich zumindest fragen: warum?

Dennoch sollte man der Autorin daraus keinen Strick drehen. Zumindest ich möchte das an dieser Stelle tunlichst unterlassen. Will ich doch nicht als einer jener Verächter der Differenzierungsbereitschaft mißverstanden werden, für die ich die Kollegin in meiner Einleitung noch so gelobt habe.

Ohne Pauschalverurteilung der AfD geht es nicht

Wobei ich Toprak mit einer polemischen Kritik von Rechts wahrscheinlich einen Gefallen tun würde. Würde sie diese doch vor ihren linken Kritikern, denen sie aus irgendeinem Grund offenbar immer noch irgendwie gefallen will, enorm entlasten. Aber das ist bei aller Sympathie nun wirklich nicht meine Aufgabe. Deshalb beschränke ich mich, darauf hinzuweisen, daß sie für ihre politische Haltung niemandem eine Erklärung schuldig ist. Das sollte übrigens auch für Rechte gelten.

Daß die Journalistin, die unter anderem auch für die FAZ, die Welt und für Zeit Online schreibt, ihrer differenzierten Kritik an der politischen Linken eine Pauschalverurteilung der AfD vorausschickt, ist zwar billig, gehört aber nun mal zu den Pflichtübungen, wenn man im Mainstream auch kritische Texte zur Migration oder zur politischen Linken publizieren will. Die Partei macht es zudem durch jüngste Fehltritte leicht, dieser Pflicht nachzukommen.

Witze über „Ghetto-Kids“ der Müsli-Fraktion

Wer das dann tut, der darf sogar Jan Böhmermann – für viele Medienkollegen der Che Guevara im gebührenfinanzierten „Kampf gegen Rechts“ – vorwerfen, daß dieser, wenn er den türkischen Staatspräsidenten Erdogan „rassistisch beleidigt“, nicht „die Rechte der Kurden, Journalisten und Unterdrückten in der Türkei verteidigt“, sondern „damit eigentlich nur seine eigenen Ziele“ verfolge.

„Probleme von Menschen mit Migrationshintergrund sind für ihn wie auch für viele der Linken nur Hilfsmittel für ihre politischen Ideologien, oder sie dienen ihnen zu ihrer Profilierung. Der Populismus der Linken erhofft sich keine hohen Wahlergebnisse, sondern Likes und Retweets – und damit das höchste Gut und das stärkste Machtinstrument unseres digitalen Zeitalters, die Aufmerksamkeit“, beklagt Toprak und man ahnt, daß der blasse, dünne Junge vom ZDF für sie buchstäblich die Verkörperung der Ausgrenzung, Arroganz und des kulturellen Rassismus von Menschen ist, die sich als links verstehen.

Die Schriftstellerin macht deutlich, es geht bei dieser herablassenden Haltung vieler linker Medienschaffender, die sich einbilden, die „Helden von Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland zu sein“, nicht nur um ihre „dunklen Haare und braunen Augen“, sondern um ihr ganzes Auftreten, das sich einfach nicht so richtig einfügen will in die mit ach so weltoffenen biodeutschen Weißen, aus gutem Hause, besetzten Redaktionen dieser Republik.

„Meine stark geschminkten Augen, meine Creolen und meine Lederjacke. Ich sehe aus wie ein Mädchen von der Straße, unfähig, intellektuell zu sein“, schreibt Toprak. Man muß wahrlich kein Insider sein, um zu wissen, daß Witzeleien über „Ghetto-Kids“ und das Sprechen in Kanak Sprak zu den liebsten Späßen der Müsli mümmelnden Reihenhaus-Kinder aus dem Dauerstudium für „Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit“ gehören.

Der Verlust des Duldungsstatus im Medienbetrieb droht

Wer nicht so aussieht oder spricht wie die gleichförmigen linksgrünen Medienschaffenden es von Ihresgleichen erwarten, gehört eben auch nicht so richtig dazu zum vermeintlich so toleranten Medienbetrieb. Wer die szenetypischen, pseudointellektuellen Worthülsen dann auch noch durch Klartext ersetzt, wird schnell vollends zum Aussätzigen.

Mit deutlichen Aussagen wie: „Nicht alle Menschen mit Migrationshintergrund stören sich an der Frage ‘Woher kommst Du?’, nicht alle in den Communities wollen auch als ‘Deutsche’ gesehen werden, und nicht alle von ihnen sehen dieses Land als durch und durch rassistisch an. Ihre Meinungen über ihre Erfahrungen und Probleme hierzulande sind nicht ideologisch motiviert. Sie sind gesellschaftskritisch. Kritischer als die Linken“, dürfte Cigdem Toprak im linken Mainstream allenfalls noch eine Geduldete sein.

Mit noch unverblümteren Aussagen wie: „Das Gefährliche an vielen Linken ist: Die vermeintlichen Opfer, für die sie zu sprechen versuchen, Schwache und Menschen mit Migrationshintergrund, werden von ihnen dehumanisiert. Sie werden wie Objekte und nicht wie Menschen behandelt. Und auch ihre politischen Gegner sind in ihren Augen keine Individuen, sondern Feindbilder. All diese Konfliktlinien, all diese Probleme, die in unserer Gesellschaft existieren und die wir nur bei den Rechten zu sehen glauben, machen also keinen Bogen um die politisch Linken“, könnte sie ihren Duldungsstatus auch bald los sein.

Die Journalistin Cigdem Toprak macht sich unter Linken derzeit nicht beliebt (Archivbild) Foto: (c) dpa
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